Milieustudie vom Feinsten

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goch9 Avatar

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Der Kaubuk, ein Waldmensch, der sich im masurischen Grenzgebiet zwischen Preußen und Polen vor den Menschen versteckt, beobachtet am 11.Juli 1920 an einem See im Wald den Mord an Maria von Mathée.
Zwölf Jahre sind vergangen. Die Inspektion A, die Berliner Mordkommission, bekommt es mit einem mysteriösen Mord zu tun. Kommissar Gereon Rath ist allerdings etwas abgelenkt, da er endlich nach einem Jahr Abwesenheit seine Freundin Charly wieder in die Arme schließen kann. Obwohl es in der Machtstruktur der Berliner Polizei nicht vorgesehen ist, darf die Kommissaranwärterin Charly Ritter an den Ermittlungen im neuen Mordfall aushilfsweise teilnehmen und wird umgehend als „verdeckte Ermittlerin“ eingesetzt. Es geschehen weitere Morde, die sich in der Vorgehensweise ähneln. Fieberhaft wird ein Zusammenhang zwischen den Mordopfern gesucht. Die Polizei stößt auf mehrere Bindeglieder und muss in verschiedene Richtungen ermitteln. Gereon Rath folgt einer Spur nach Treuburg in Masuren.

Volker Kutscher entführt den Leser mit seiner Gereon Rath-Reihe in das Berlin der 30er Jahre. Nach wenigen Seiten hat man das Gefühl in einen Schwarz-Weiß-Film einzutauchen. Es gibt Schupos, die den Verkehr auf großen Kreuzungen aus Verkehrstürmen regeln. Die damaligen Zigarettenmarken, die genannt werden und überhaupt die Tatsache, dass ständig geraucht wird, zeichnen eine Millieustudie und ein grandioses Sittenbild dieser Zeit. Die Sprache und auch die genaue Beschreibung der Örtlichkeiten versetzen den Leser in eine Zeit, die die Meisten von uns nicht mehr erlebt haben und die aber noch gar nicht solange her ist. Es gibt kein Internet und keine Handys. Alles wirkt gemächlicher, aber doch zielstrebig und durchdacht. Die fiktive Geschichte, eingebettet in die politische Entwicklung, hat zusätzlich zu einem beklemmenden Gefühl geführt. Volker Kutscher hat die Situation, in der sich die masurische Bevölkerung befand, sehr genau beschrieben und insbesondere durch die Figur des Dorflehrers verständlich gemacht. Mit diesem Krimi hat er spannende Unterhaltung mit geschichtlichem Hintergrund genutzt, um die Situation und die Lebensbedingungen der Menschen in dieser sensiblen politischen Zeit aufzuzeigen.
Ich finde das ist ihm bestens gelungen.