Verstörend gut

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
pummelfee77 Avatar

Von

In diesem Buch werden die Geschichten zweier Familien aufgedeckt. Verbunden werden diese beiden sich völlig unbekannten Familien durch eine Gewebespende. Die Protagonistin Antonia - "Toni" - erblindet nach einem Unfall und erhält eine Corneaspende. Sie schätzt es sehr, wieder sehen zu können, doch weiß sie, dass eine andere Familie um einen geliebten Menschen trauert. Um deren Verlust einen Sinn zu geben, schreibt sie einen Dankesbrief, der sogar beantwortet wird.

Die Protagonistin wirkt oft verloren und ich konnte fast keine ihre Entscheidungen nachvollziehen, da ich anders gehandelt hätte. Dennoch schafft es die Autorin, deren Entscheidungen für den Leser nachvollziehbar und in ganzer Konsequenz darzulegen. Das ist großartig, denn auch wenn ich anders gehandelt hätte, war es für Toni/Antonia genau richtig so und nicht anders zu entscheiden. Zudem wird mit der Zeit klar, dass die Geschichte eine Reise beinhaltet, nämlich Antonias Reise zu sich selbst. Zugeben muss ich allerdings, dass ich sie nicht immer mochte, aber sie war mir zu keinem Zeitpunkt egal. Bis zum Ende hat sie etwas von einem Vögelchen, dass aus dem Nest gefallen ist.

Die weiteren Personen dieser Geschichte sind absolut authentisch und passend, auch wenn ihnen etwas Tiefe fehlt. Mit einigen anderen hätte ich gerne mitgefühlt, doch bin ich als Leser leider immer etwas auf Abstand geblieben.

Doch gab es wirklich Phasen in denen ich mir gewünscht hätte, dem ein oder anderen Geheimnis etwas näher zu kommen. So nach dem ersten Drittel passiert wenig Neues, kommt wenig Aufregendes und da hätte ich wirklich gerne ein bißchen den Schleier gelüftet. Oder zumindest als Leser gemeint, ich hätte eine Ahnung. Am Ende wird der Leser jedoch mit einem spannenden Finale und einigen unerwarteten Wendungen belohnt.

Die vorkommenden Sachthemen Transplantation und ihre Phänomene und die Beutekunst der NS-Zeit sind gut dargestellt, wobei der Fokus auf ersterem liegt. Diese Thematik und die Auswirkungen auf alle Beteiligten wurde plastisch und emotional genau richtig beschrieben.

Der Sprachstil ist großartig. Kurze prägnante Sätze ohne Verschachtelung, die es mir als Leser leicht gemacht hat, ein gutes Lesetempo zu finden. Es gab einige wenige Stellen, die mir unlogisch erschienen und wo ein leises "Hä?" in meinem Kopf dröhnte, doch hat der Stil es möglich gemacht, einfach darüber wegzulesen.

Fazit: Absolut Lesenswert, wenn auch manchmal verstörend. Verstörend gute Lektüre, die ich oft weiterempfehlen werde.