Wenn man nicht mehr weiß, wem man trauen kann

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gaby2707 Avatar

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Antonia „Toni“ Petzold verdient sich ihr Geld mit der Wohnungsräumung Verstorbener. Hierbei verliert sie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ihr Augenlicht und ist auf eine Hornhautverpflanzung angewiesen. Die bekommt sie recht schnell durch eine bei einem Autounfall verstorbene junge Frau. Obwohl gesetzlich der Kontakt zwischen Implantatempfänger und den Angehörigen untersagt ist, gelingt es Toni Kontakt zur Mutter der Verstorbenen aufzunehmen. Damit begibt sie sich in ein Netz von Verstrickungen, aus dem sie fast nicht mehr entkommt.

Das Cover mit den vielen Puzzleteilen und dem sich dahinter verbergenden Foto und der Klappentext machen gleich neugierig. Nachdem ich das Buch nun gelesen habe, stelle ich fest, dass das Cover perfekt zur Geschichte passt, was leider nicht immer der Fall ist.

Nachdem ich mit dem Buch angefangen hatte, ist es mir sehr schwer gefallen, es doch immer mal wieder zur Seite zu legen. Es entwickelt mit jeder Seite, mit jedem Puzzleteil, das aufgedeckt wird, einen stärkeren Sog. Und es werden viel Puzzleteilchen aufgedeckt. Was sich dahinter versteckt, ist nicht immer schön.
Dinah Marte Golch versteht es, mich an die Geschichte zu fesseln. Kurze, knappe Sätze treiben die Spannung immer weiter in die Höhe. Ich darf die Protagonisten einmal ab April 2019 begleiten, ab dem Zeitpunkt von Tonis Sehkraftverlustes. Ab Oktober 2019 erzählt Toni die Geschichte in der Ich-Form, was weitere Spannung schafft. Hier geht es hauptsächlich um den Mordversuch an ihrer Mutter Brigitte. Ganz langsam nähern sich die beiden Zeiten an und ergeben zum Schluss ein schlüssiges Ganzes.
Die einzelnen Figuren, denen ich hier begegne, sind sehr gut ausgearbeitet und erscheinen menschlich und greifbar. Besonders Antonia, um die es ja auch hauptsächlich geht, bin ich hier emotional sehr nahe gekommen. Immer kann ich ihr Handeln aber nicht verstehen.
Sehr interessant finde ich die Gespräche über die psychologischen Auswirkungen ihrer Cornea-Transplantation, die Toni mit ihrem Psychiater führt. Ein weiteres Thema, der Kunstraub im Nationalsozialismus in Berchtesgaden, von Bildern, die in Goebbels Besitz übergingen, hat mir dagegen in diesem Zusammenhang nicht gefallen. Das war mir dann doch etwas zu viel und zu weit her geholt.

Es gibt einige Erzählstränge und Wirrungen, die sich aber gekonnt und vor allen für mich nachvollziehbar zu einer Geschichte zusammenfügen. Bis auf den einen angesprochenen Kritikpunkt hat mir das Buch, das sich wie ein Krimi liest, sehr gut gefallen.