Nicht gelungen

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
antie Avatar

Von

Das Buch von Kaleb Erdmann hinterlässt bei mir sehr viele Fragezeichen. 23 Jahre nach dem Amoklauf von Erfurt veröffentlicht der Autor einen autobiographischen Roman über diese Bluttat. Ich frage mich, mit welcher Absicht er das Buch geschrieben hat und für welche Zielgruppe.
Die Fakten sind alle bekannt, wer daran interessiert ist, kann sie nachlesen im „Bericht der Kommission Gutenberg-Gymnasium“, den der Freistaat Thüringen zwei Jahre nach dem Amoklauf veröffentlicht hat, als die Untersuchungen abgeschlossen sind. Diese Unterlagen sind auch dem Autor bekannt, er zieht sie für sein Buch zu Rate. Er hat den Amoklauf als Fünftklässler miterlebt, ohne die schrecklichen Einzelheiten mitgekriegt zu haben. Mit anderen aus seiner Klasse laufen sie weg, steigen über einen Zaun und spielen dann Karten, bis die Eltern sie abholen. Er hat also kaum etwas Eigenes aus der Zeit zu berichten. Zu wenig für ein Buch.
Also reflektiert er auf fast 300 Seiten andauernd seinen Schreibprozess und seine Motivation. Das ist ermüdend zu lesen und man findet es besser bei Benedict Wells oder eleganter bei Michael Köhlmeier. Man erfährt zwar einiges aus Kaleb Erdmanns Leben, sofern es nicht fiktionalisiert ist, wird als Leser*in aber nicht emotional mitgenommen oder davon in irgendeiner Weise betroffen. Es wirkt, als habe der Ich-Erzähler sich in einem therapeutischen Prozess noch einmal mit diesem Erlebnis in seiner Kindheit literarisch auseinandergesetzt. Das ist legitim und das Buch insgesamt gut geschrieben, aber es muss niemanden sonst interessieren.
Ganz und gar irreführend ist der Titel. Um die Ausweichschule geht es schlicht nicht.