Vergangenheitsbewältigung

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smolsin Avatar

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Die Hauptfigur aus Kaleb Erdmanns autofiktionalem Roman “Die Ausweichschule” hat am Erfurter Gutenberg Gymnasium den Amoklauf vom 26. April 2002 hautnah miterlebt.
Zwanzig Jahre nach der Tat beschließt er, einen Roman über die Geschehnisse zu schreiben. Im Gegensatz zu vielen anderen Schüler:innen und Lehrkräften hat er keine schrecklichen Details der Tat mitansehen müssen, dennoch scheint das Erlebte ihn auch zwei Jahrzehnte nach der Tat nicht loszulassen. Während seiner Recherche erhalten die Leser:innen viele Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt des Erzählers, die oft wirr und widersprüchlich erscheinen. Er scheint seine eigene Intention des Schreibens mehrmals zu hinterfragen oder protokolliert lediglich den Prozess dessen. Trotz der tiefen Einblicke in das Innenleben des Erzählers konnte ich keinen richtigen Zugang zu ihm finden und somit bleibt die gesamte Auseinandersetzung der Ereignisse durchweg sachlich und emotionslos, mit einer gewissen Distanz. Auch die titelgebende Ausweichschule findet nur wenig Erwähnung und hat zu der eigentlichen Handlung kaum Relevanz.

Insgesamt ist das Buch durchaus gut geschrieben und der Schreibstil passt sich dem der Gegenwartsliteratur junger Autor:innen an. Trotz der Schwere der Themen konnte der Autor mit seinem trockenen Humor hier und da für ein Schmunzeln sorgen.

Im Großen und Ganzen ist es kein schlechtes Buch. Es ist gut recherchiert, liefert durchaus spannende und interessante Einblicke - insbesondere im Umgang der Behörden mit den Betroffenen - aber für mich persönlich hat hier vieles gefehlt oder einfach nicht gepasst. Ich kann es nur eingeschränkt empfehlen.