Die büchse der Pandora

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dicketilla Avatar

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Eigentlich hätte sie lieber den Namen Pandora bekommen, aber sie wird Melanie genannt. Mit ihren 10 Jahren lebt in einem Block auf einem Stützpunkt, in einer Zelle mit Gurten an einen Rollstuhl befestigt, bewegungslos. Warum sie dort sind wissen sie nicht. Montag bis Freitag sind Schultage, Samstage und Sonntage sind der Fütterung, eine Schüssel Maden, ausreichend für ihre effiziente Verwertung von Proteinen, sowie einer Dusche mit Chemiespray vorbehalten.
Mit den anderen Kindern kann sie nicht sprechen, jeder in seiner Zelle gefangen gehalten.
Nur Miss Justineau bringt etwas Freude, durch ihren Unterricht. Von ihr hört sie etwas über Pandora- das reich beschenkte Mädchen- deren Neugier zum Verhängnis wurde. Melanie empfindet Liebe für sie.
Doch Helen Justineau soll die emotionalen Reaktionen der Kinder beobachten, um später mit Dr. Caroline Caldwell über die normale Gemütsregung zu schwadronieren. Doch als sie Melanie berührt gerät diese aus dem Gleichgewicht.
Dr. Caldwell ist gut darin Gehirne aus dem Schädel zu heben. Sie will die Welt retten, und die Kinder, Hungernde, dienen ihr als Forschungsobjekte. Der Geruch von Fleisch lässt sie in einen menschlichen Fressrausch verfallen. Sieht in ihnen nur eine Pilzkultur, Sentimentalitäten liegen ihr fern.
“Die Kinder sind auf halbem Weg stecken geblieben. Vielleicht liegt in ihnen also wirklich die Hoffnung auf ein Heilmittel.” ( S.92 )

Ein Pilz hatte sich durch einen rapiden Ausbruch mit vielen Übertragungswegen in den Menschen eingenistet und sie zu Hungernden werden lassen. Städte waren wie ausgestorben, Flüchtlingslager in denen Terror und künstlich angefeuerter Optimismus betrieben wurde. Überlebende, die als Schrottwühler außerhalb der Städte lebten, plünderten, zur Gefahr wurden.

“ Der Pilz benötigt vor allen Dingen Proteine, und auch wenn er mit sehr wenig Nahrung auskommt, lebt er doch nicht von Luft und Liebe. Autokannibalismus ist eine höchst praktikable Strategie für einen Parasiten, dem der Wirtskörper nur als vorübergehender Überträger dient.” ( S.250 )

Nachdem Melanie durch Sergeant Parks ins Labor gebracht werden soll, begreift sie, dass sie niemals mehr zurückkommt. Nachdem der Befreiungsversuch durch Miss Justenau scheitert, gibt es eine Explosion.
Ein Angriff der Schrottwühler, mit Teer geruchlos gemacht, die die Hungernden vor sich treiben, wie Rammböcke zu Kriegsmaschinen eingesetzt.

So flüchten, von Sergeant Parks angeführt, Helen Justenau, Dr, Caldwell, die gefesselte Melanie, und der unerfahrene, junge Private Gallagher, vom Stützpunkt, in eine ungewisse Zukunft, Ziel das Flüchtlingslager in Beacon, einziger Ausweg, deren Weg durch ein Gebiet voller Hungernder führt.

“ Die Hungernden riechen dich, bis sie dich fressen. Sie können gar nicht anders.”( S, 241 )

Die Geschichte geht von Beginn an rasant voran, und man ist sofort von den Ereignissen mitgerissen. Kaum fassbar welches Ausmaß dieser Pilz verursacht und aus den Menschen gemacht hat, deren Lebensmittelpunkt nur noch aus Fressen finden besteht, keine Kommunikation mehr besteht, nur noch Lethargie. Schonungslos werden die Fressorgien geschildert, die Ausweglosigkeit ihres Seins.
Der Autor hat durch die Erklärung eines genmanipulierten Pilzes viel Hintergrundwissen eingearbeitet, dass die Geschichte nicht als eine Zombiegeschichte, sondern als eine in sich zerfallende Menschheit erkannt wird.
Melanie ist für mich die tragende, alles entscheidende Figur, die trotz ihres Gendefekts, viel “Menschlichkeit” in sich trägt. Auch die anderen Charaktere sind ihrer Rolle nach gut beschrieben worden. Eine mitreißende, nachdenklich machende Geschichte, die ich sehr empfehlen kann,
mit einem, für mich, hervorragendem Ende.

„Einfach die große Büchse namens Welt öffnen, ohne Furcht, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob Gutes oder Schlechtes dabei herauskommt. Weil beides kommt. Es kommt immer beides. Aber um das herauszufinden, muss man die Büchse erst öffnen.“ ( S. 302 )