Schöne Geschichte, für mich aber leider zu viel Drama

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Dies ist ein Roman über Freundschaft und Zusammenhalt, Liebe und Verlust, über Verpflichtungen und Leidenschaft, Krieg – aber allem voran über Hoffnung.

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Zum Inhalt:
London, 1944. Nach Luftangriffen der Deutschen wurde die im Bau befindliche U-Bahnstation Bethnal Green als Shelter eingerichtet, um den Menschen einen dauerhaften Zufluchtsort zu dienen. Als die örtliche Bibliothek bei einem Angriff beschädigt wird, rettet Bibliothekarin Clara was zu retten ist - und eröffnet im Bethnal Green Shelter eine einzigartige unterirdische Bibliothek.
Dabei hat sie ein großes Ziel: allen Londonern in der Umgebung durch ihre Bücher ein paar Stunden Frieden schenken, besonders den Kindern.
Doch ihr neuer Chef ist mit der Art und Weise ihrer Arbeit nicht zufrieden und droht mit der Schließung der Bibliothek. Gleichzeitig verlangt ihre Familie, dass sie das unsichere London verlässt. Was soll sie tun?

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Meine Eindrücke:

Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, die die Autorin mit dem Hintergrund vieler Zeitzeugengespräche, sehr lebendig erzählt. Allerdings hat Kate Thomson den Bibliothekar, der die unterirdische Bibliothek gegründet hat, in eine Frau verwandelt. So schenkt sie den Frauen, die während der Abwesenheit vieler Männer in Kriegszeiten ihre ganz eigenen Kämpfe führten, viel Aufmerksamkeit.

Der Schreibstil ist sehr fließend und leicht, wodurch ich nur so durch die Seiten geflogen bin. Allerdings muss ich zugeben, dass dies nur bis zur Hälfte des Romans der Fall war. Dort, wo sich der Fokus der Handlung weg von der Bibliothek und seinen Besuchern, hin zu den beiden Protagonistinnen und ihre Liebesgeschichten verschiebt, verlor die Handlung für mich etwas an Reiz.

Bereits früh empfand ich die Lebensumstände im unterirdischen Shelter und das Kriegsgeschehen zwar eindrucksvoll, aber eher nebenbei erzählt. Hatte den Eindruck, sobald eine Szene abgeschlossen war, etwas Ruhe einkehrte, musste dringend wieder etwas Unvorhergesehenes passieren. Ich arrangierte mich allerdings damit, da dem die unglaublich kraftvolle und innige Freundschaft der rationalen, hingebungsvollen, einfühlsamen Bibliothekarin Clara und ihrer lebenslustigen, aber traumatisierten, extrovertierten Assistentin Ruby gegenüberstand. Die lebhaften und liebenswürdigen Dialoge zwischen den beiden, ihrer beider Entschlossenheit im Kampf für ein bisschen (Seelen)Frieden mithilfe ihrer Bücher, ihr Wiederstand gegen die Männer, die sie nur als Lückenbüßerin ansahen bis der Krieg vorbei sei, darüber hinaus ihre bewegenden Schicksale – all das riss mich mit.

Auch zu Beginn der Liebesgeschichten, die sich bei beiden anbahnen, sah ich noch über die steigende Vorhersehbarkeit hinweg. Als Clara jedoch (der Dramatik halber?) eine gefühlte charakterliche Hundertachziggradwende vollzieht, ließ mein Verständnis nach.

Keine Frage: Der Autorin ist es mit vielseitigen Einblicken in die Kriegsdramatik in London und Jersey gelungen, ein bewegendes Bild der Schicksale von Kindern und Erwachsenen, Männern und Frauen, zu zeichnen. Zudem ein greifbares Gefühl von Gemeinschaft und Hoffnung auszustrahlen, nicht zuletzt dank der besonderen Dynamik zwischen Clara und Ruby.

Und doch hatte ich mir etwas mehr von der Tiefgründigkeit erhofft, die zu Beginn des Romans spürbar war.

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Mein Fazit:

Für mich war dieses Buch ein absoluter Wohlfühlroman. Die Hoffnung schien so viel stärker, als die Dunkelheit des Krieges und der luftig leichte Schreibstil, ließ mich nur so durch die Seiten fliegen. Allerdings hat er einiges an Potenzial verspielt.

Ich empfehle ihn allen, die Lust haben auf eine geballte Ladung Frauenpower in geschichtlichem Gewand und sich an einer guten Portion Vorhersehbarkeit und Drama nicht allzu sehr stören.