Eine berührende, gemeinsame Spurensuche

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simaha Avatar

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Masateru Konishis "Die Bibliothek meines Großvaters" liest sich auf dem Klappentext zunächst wie ein Krimi, ist für mich jedoch vorrangig eine emotionale Geschichte über die enge Bindung zwischen Enkelin und Großvater und zeigt auf, wie die junge Frau über sich hinauswächst.

Bereits das Design des Buches hat mir sehr gut gefallen. Das Cover mit dem fast schon idyllischen Motiv und der auffällige Farbschnitt machen es zu einem echten Hingucker, welcher die Handlung des Buches gut aufgreift. Im Mittelpunkt der Handlung steht Kaede, deren enge Beziehung zu ihrem Großvater durch dessen Demenz auf die Probe gestellt wird. Doch Kaede möchte die enge und bereits seit Kindertagen bestehende Bindung aufrechterhalten und bringt ihm Kriminalgeschichten mit, die beide gemeinsam lösen. In diesen Momenten kehrt der scharfe Verstand des Großvaters für kurze Zeit zurück, und die Leser:innen spüren die tiefe Verbindung zwischen den beiden. Kaede tut alles, um ihm Freude zu bereiten und seinen Zustand zu verbessern, sei es durch Besuche, das Mitbringen von Gästen wie interessierten Schüler:innen oder das gemeinsame Rätseln.

Anfangs bleibt Kaede eine eher zurückhaltende Figur. Sie wirkt reserviert und in sich gekehrt. Früh angedeutet wird lediglich, dass ein schwerer Schicksalsschlag ihre Vergangenheit prägt. Die Auflösung dieses Geheimnisses erfolgt erst relativ spät und mündet in einem dramatischen Höhepunkt, der für meinen Geschmack etwas zu überhastet und schnell abgeschlossen wirkt. Dadurch bleibt der Spannungsbogen hier relativ kurz. Im Laufe der Geschichte wächst Kaede jedoch spürbar über sich hinaus. Durch die Zusammenarbeit mit den befreundeten und recht gegensätzlichen Männern Iwata und Shiki kommt sie aus ihrer Einsamkeit, findet mehr Vertrauen und beginnt, sich emotional zu öffnen.

Die Geschichte besteht aus mehreren, in sich abgeschlossenen Fällen, was das Buch sehr kurzweilig gestaltet und die Leser:innen zum Miträtseln einlädt. Die Szenerien werden dabei sehr bildlich beschrieben und durch Zeichnungen der Tatorte zusätzlich untermalt, was das Eintauchen in die jeweilige Ermittlung erleichtert. Was besonders überzeugt, ist der Zusammenhalt der Charaktere: Als Shiki, Iwata und Kaede nacheinander selbst ins Visier von Mordfällen geraten, stehen sie sich ohne Zweifel zur Seite. Der Schreibstil wirkte jedoch teilweise recht förmlich und gestelzt, was möglicherweise eine bewusste Anlehnung an das japanische Original ist. Dies führte für mich dazu, dass emotionale Momente teils unvermittelt wirkten und die Charaktere etwas distanziert blieben. Auch die Nebenfiguren, wie Iwata, dessen Hintergrund nur kurz angerissen wird, bieten Raum für mehr Tiefe. Da das Buch der erste Teil einer Trilogie ist, besteht jedoch Hoffnung, dass die weiteren Bände hier mehr Klarheit schaffen.

Trotz kleinerer Schwächen in der Charaktertiefe und im Spannungsaufbau ist "Die Bibliothek meines Großvaters" eine Leseempfehlung. Es ist ein gewissermaßen berührender Roman, der sich durch seine Thematik und die cleveren Fälle auszeichnet. Für mich eine gute Mischung aus Familiengeschichte und kurzweiligen Kriminalfällen.