Roman, Krimi und Familiengeschichte in Einem

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
sternzauber Avatar

Von

„Die Bibliothek meines Grossvaters“ ist für mich optisch ein wunderschönes Buch! Ich mag sowohl die bildliche Gestaltung, als auch die Farbwahl sehr und empfinde die ganze Optik als sehr warm und einladend. Besonders schön wird das Gesamtergebnis natürlich durch den wunderschönen Farbschnitt mit Blütendekor – ein absoluter Hingucker im Bücherregal!

Die Geschichte erzählt von Kaede, die als Lehrerin arbeitet und sich außerdem um ihren Großvater sorgt, der an Lewy-Körper-Demenz leidet. Beide lieben Bücher, das Lesen und vor allem Rätselkrimis, weshalb sie sich über alle möglichen Rätsel in ihrem Umfeld austauschen und über erzählte Geschichten zu den Lösungen der einzelnen Fälle kommen. Doch plötzlich wird Kaede selber verfolgt und bedroht…. Wer setzt ihr so zu? Und warum?

Masateru Konishi schreibt seine Geschichte in einer sehr interessanten, ruhigen und ungewöhnlichen Art und Weise, die sich jedoch gut lesen lässt. Die einzelnen Kapitel, die jeweils ein Rätsel behandeln, sind in weitere Unterkapitel unterteilt, was ich für den Lesekomfort sehr zu schätzen weiß und was mir auch vom Aufbau her sehr gut gefallen hat. Ein tolles Gimmick ist außerdem die Tatsache, dass viele der Rätsel mit Ortsskizzen untermalt sind, was die Gestaltung zusätzlich aufwertet und die jeweilige Geschichte noch greifbarer macht.

Kaede, die sehr zurückhaltend bleibt, und ihren Großvater mag ich sehr und auch andere ProtagonistInnen sind angenehm individuell ausgearbeitet. Kaedes Freund Shiki bleib für mich jedoch während der ganzen Geschichte etwas „unfassbar“ und vage, andere Charaktere tauchen nur kurz auf und verschwinden dann einfach wieder. Außerdem muss ich leider gestehen, dass auch die Geschichte als Ganzes für mich nicht ganz stimmig war. Einzelne Teile fühlten sich für mich etwas zu konstruiert an und obwohl ich einige wiederkehrende Elemente als gute Strukturgeber empfand, waren andere in meiner Empfindung eher „Lückenfüller“.

Die Rätsellösungs-Geschichten, die Großvater und Enkelin sich gegenseitig erzählen haben mir gut gefallen und auch die tiefe Liebe zu guten Geschichten und Büchern war für mich spürbar. Mit fortschreitender Lektüre wurde zudem eine Rahmengeschichte rund um die Familiengeschichte Kaedes mehr mit eingebunden, was der Handlung sehr gut getan, mehr Substanz und Spannung eingebracht hat.

Sehr gelungen und einfühlsam wirken auf mich die Beschreibungen der Demenz und ihrer Symptome, die meiner absolut inkompetenten Einschätzung nach fachlich kompetent dargestellt wurden. Dass das Ende des Buches viel Raum für Fantasie und eigene Interpretationen lässt und ein eigenes Rätsel wird, entspricht eigentlich überhaupt nicht meinen Vorlieben und ließ mich im ersten Moment etwas unglücklich zurück, es passt aber unfassbar gut zur Geschichte und begeistert mich daher dann doch.

„Die Bibliothek meines Grossvaters“ ist eine erstaunliche Mischung aus Krimi und Roman, die mir eine schöne Lesezeit beschert hat, die meiner Meinung nach jedoch ein paar Schwachstellen aufweist. Trotzdem ist es für mich ein lesenswertes Buch und ich wünsche euch ganz viel Freude beim Rätseln!