Alles Treibholz … wie du und ich, sagte Einar

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brenda_wolf Avatar

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Edvards Eltern sind während eines Frankreichurlaubs 1971 auf sonderliche Weise verunglückt. Der damals knapp 4jährige Junge war mit dabei, wurde aber zunächst nicht aufgefunden. Erst 4 Tage später tauchte er 120 km entfernt und unversehrt in einer Arztpraxis auf.

So wuchs Edvard bei seinem Großvater Sverre im norwegischen Gudbrandstal auf, einem etwas verschrobenen Mann, der im Krieg für die Deutschen an der Ostfront stand und dessen Bruder Einar, für die Gegenseite kämpfte. Einar, der Meistertischler fiel 1944 im Krieg. Er hatte in den 30er Jahren in Paris gelebt und für eine Möbelfirma mit Weltruf gearbeitet. Ihm war das Leben auf dem Hirifjellhof zu eng geworden, nun erinnern nur noch eine verlassene Schreiner-Werkstatt und ein Flammbirkenwäldchen an ihn.

Seit Edvard 13 Jahre alt war reiste der Großvater einmal im Jahr für eine Woche zum Jahrestreffen des Schaf- und Ziegenzüchtervereins und Edvard musste den Hof am Laufen halten.

Und nun ist auch der Großvater gestorben. Edvard muss die Beerdigungsmodalitäten erledigen. Er erfährt zu seinem Erstaunen, dass schon seit 1979 ein prunkvoller Sarg für Sverre beim Leichenbestatter bereit steht, ohne dass der Großvater davon wusste. Getischlert von Einar, für seinen Bruder. Aber Einar ist doch 1944 bei Authville in Frankreich gefallen, an dem Ort wo 1971 auch Edvard Eltern ihr Leben verloren.

In Großvaters Kleiderschrank findet er einen teuren schwarzen Anzug aus feinstem Material. In dessen Jackentasche steckt eine Eintrittskarte zu den Bayreuther Festspielen vom 30. Juli 1981. Außerdem findet er Dias, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Großvater brauchte immer nur einen 24er Film im Jahr, wie sich herausstellte war es eine 36er Rolle, 12 Dias unterschlug er. Sie stammten von seiner heimlichen Woche im Ausland. Außerdem findet Edvard 5 Umschläge mit Klebestreifen verschlossen: Nicole, Walter, Anna, Einar und Edvard.

Mich hat diese Geschichte von der ersten bis zur letzten Zeile festgehalten und gefesselt. Eine kraftvoll und farbig erzählte Familiengeschichte, mit wundervoller Atmosphäre und schönen Bildern. Eine Familiengeschichte voller Geheimnisse und Menschen wie Urgestein. Es geht um Schweigen, Schuld und Verrat, und darum, ob diese Fragen wirklich so einfach zu beantworten sind. Was ist geschehen in den vier Tagen als Edvard verschwunden war? Und was hat es mit diesem Sarg von Einar auf sich? Und wer war eigentlich Nicole, seine Mutter? Und es geht auch um Konkurrenz zwischen Brüdern und um Familientragödien.

Der Autor malt Bilder. Ich spürte die Sonne auf der Haut und fand mich im Flammbirkenwäldchen wieder. Ich fühlte die Maserung des Holzes und sah den Schimmer kostbarer alter Walnussmöbel. Ich bekleidete Edvard übers Meer auf der Suche nach seinen Wurzeln. Ich habe mit den Charakteren gelebt und gelitten. Die Geschichte hallt immer noch in mir nach. Genauso muss ein Buch sein. Mein Dank an den Autor. Ich werde hoffentlich noch viel von ihm lesen.