Ein Leben voller Briefe

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
dany_87 Avatar

Von

Der Briefroman „Die Briefeschreiberin“ von Virginia Evans ist der erste Roman der Autorin. Das Buch ist im Penguin Verlag erschienen, umfasst 384 Seiten und wurde aus dem Amerikanischen von Regina Rawlinson übersetzt.

Der Titel des Buches könnte für den Roman kaum passender sein, denn genau das ist die Protagonistin Sybil Antwerp - Eine passionierte Briefeschreiberin.
Als Leser begleiten wir die ehemalige Juristin, Mutter von drei Kindern, Exfrau, Freundin und Ratgeberin im Rahmen einer ausgewählten Korrespondenz mit ihren Freunden, Verwandten, Nachbarn, Autor*innen und vielen anderen Personen, die eine mehr oder weniger wichtige Rolle in Sybils Leben spielen. Der Roman deckt einen Zeitraum von zehn Jahren ab (2012 – 2022). Die Protagonistin ist in diesem Zeitraum in ihren 70ern. Neben persönlichen Themen, tauchen immer wieder auch politische oder tagesaktuelle Themen in der Korrespondenz auf. Brief für Brief bekommt man dabei einen immer tieferen Einblick in das Leben dieser besonderen Frau.
Sybil hat in den 70ern Karriere gemacht. Während dies den meisten Frauen zu dieser Zeit verwehrt blieb, hat sie Anglistik studiert und ein Jurastudium abgeschlossen. Zunächst hat sie als erfolgreiche Anwältin gearbeitet und später als persönliche Referentin eines Richters. Sie war verheiratet, hat drei Kinder bekommen und ist inzwischen geschieden. Neben dem Briefe schreiben sind vor allem der Garten und Bücher ihre große Leidenschaft.
Bereits nach den ersten Briefen merkt man, welch kluge und vor allem auch humorvolle Frau Sybil ist. Man liest von Glücks- und Erfolgsmomenten aus ihrem Leben, aber auch Tiefschlägen. Immer wieder werden längere Briefwechsel von kurzen Alltagskorrespondenzen, z.B. in Form von Emails und kleinen Nachrichten des Nachbarn, unterbrochen und lockern den Roman so auf eine unterhaltsame Art auf.

Ich persönlich mochte diesen Debütroman sehr gerne. Der Schreibstil ist wirklich gut und vor allem der schwarze Humor der Briefeschreiberin hat es mir angetan. Die Protagonistin ist einfach ein Unikat. Liebenswert, aber auch kratzbürstig. Tiefsinnig und wortgewandt und dennoch distanziert. Ich hätte ihren Erzählungen ewig folgen können.
Durch die abgedruckten Adressen und Zeitangaben konnte man auch den zeitlichen Sprüngen im Buch gut folgen. Zur besseren Übersichtlichkeit gibt es am Ende des Romans zudem ein Personenverzeichnis, welches ich jedoch nicht benötigt habe.
Ich mag auch einfach den Gedanken der Autorin, dass das Briefeschreiben nicht in Vergessenheit gerät oder durch ausschließlich elektronische Korrespondenz abgelöst wird. Denn wer mag es nicht einen echten, selbstgeschriebenen Brief oder eine Postkarte in den Händen zu halten?
Ich kann diesen Roman wirklich jedem empfehlen, der Lust hat in das Leben einer ganz besonderen Protagonistin einzutauchen, den Stil von Briefromanen mag und einfach eine gut erzählte, nicht zu reißerische Geschichte lesen möchte.