Vielversprechendes Setting, leider einige Schwächen

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dietaube Avatar

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"Die Burg" ist der neue Thriller von Ursula Poznanski und sticht durch das außerwöhnliche Setting heraus: Ein Escape-Room durch eine KI gesteuert ist genau am Puls der Zeit und verspricht ein spannendes Leseerlebnis zu bieten. Im Laufe der Handlung stellt sich die Frage, wie viel Eigensinn die KI hat und ob sie am Ende wirklich noch zu kontrollieren ist. Alles in allem ein überzeugendes Grundkonzept, das mich in jedem Fall zum Kauf gebracht hätte.

Die Atmosphäre erinnerte stark an eine Mischung aus Cryptos und Saeculum, zwei meiner absoluten Lieblingsbücher der Autorin. Und genau dort liegt meiner Meinung nach auch die große Stärke des Thrillers: Die Kreativität und die Beschreibung der verschiedenen Szenarien und Räume ist unfassbar gut gelungen. Immer wieder war ich beeindruckt von den Details und dem Einfallsreichtum, was die verschiedenen Räume und Umgebungen angeht. Dies erinnerte, wie bereits erwähnt, stark an Cryptos, was mich damals schon faszinierte.

Was die Figuren angeht, wird die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt. Obwohl die Geschichte schnell Fahrt aufnimmt, ohne sich viel Zeit für Hintergrundinformationen zu nehmen, werden die Charaktere glaubhaft und überzeugend dargestellt. Geschickt werden persönliche Informationen über die einzelnen Figuren über das Escape-Spiel selbst erzählt, so dass ich die zentrale Gruppe rund um die Spieler:innen mit wenigen Ausnahmen sehr greifbar fand. Dies gilt auch für Maxim, über den man zwar erst Stück für Stück mehr erfährt, jedoch war dies für mich vollkommen ausreichend, um mit ihm mitzufiebern und mitzufühlen.

Im Gegensatz dazu ist für mich der Perspektivwechsel zu Alissa gar nicht gelungen. Klar ist, dass sie dazu dient, eine Außenperspektive der Situation zu zeigen, darüber hinaus bietet ihre Figur aber überhaupt keine nennenswerten Eigenschaften. Für mich ist sie austauschbar, was für die zweite Erzählerin/Protagonistin schon sehr schade ist. Auch wird sie kurz als potentielles Love Interest portraitiert, was am Ende aber überhaupt keine Rolle mehr spielt. Über ihren Weitergang nach der Handlung erfährt man auch so gut wie gar nichts.

Hier spielt sich für mich meine zentrale Kritik an dem Buch ab: Für mich hat Ursula Poznanski es leider nicht geschafft, den Spannungsbogen dauerhaft aufrechtzuerhalten. Der Turning Point passiert relativ schnell, allerdings zieht sich dann die Geschichte der Flucht sehr lange. Ich wollte unbedingt wissen, wie es ausgeht, aber das entwickelte sich schnell zu einer leidigen Ungeduld, wann diese Flucht denn endlich vorbei sein würde. Außerdem wirken die „Schocks“ und die „Unberechenbarkeit“ der KI schnell alles andere als das und stattdessen vorhersehbar und redundant. Schnell versteht man als Leser:in das Vorgehen der KI und ist dann nicht mehr überrascht von der stetigen Unbarmherzigkeit und den neuen Grausamkeiten, die sie sich einfallen lässt. Zwar war die Auflösung für mich schlüssig und überzeugend, jedoch hätte ich mir hier gewünscht, diese etwas weiter auszuführen, wenn zuvor auf über 200 Seiten gefühlt das gleiche Szenario erzählt wird. Die Figuren, die am Ende verantwortlich sind, boten für mich auch leider zu wenig Tiefe und waren zu oberflächlich dargestellt, als dass man ihre Motive abschließend nachvollziehen konnte. Auch der Werdegang der Figuren nach der Handlung wird für mich zu kurz abgehandelt, hier hätte man sich für mein Gefühl mehr Zeit, bzw. mehr Seiten nehmen können.

So bleibt am Ende leider kein rein überwältigter und positiver Eindruck. Das Setting zusammen mit dem immerwährend grandiosen Schreibstil von Frau Poznanski waren äußerst vielversprechend, leider konnte dann der Rest meinen Anforderungen nicht hundertprozentig gerecht werden. Ich kann trotzdem nicht leugnen, gefesselt gewesen zu sein und auf das Ende hingefiebert zu haben, so verbleibe ich mit 3 von 5 Sternen.