Märchenhafte Pilgerreise

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melc Avatar

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Die "Canterbury Schwestern" von Kim Wright beschreibt eine sehr besondere Pilgerreise der trauernden und verlassenen Che mit einer Gruppe alleinreisender Frauen von London nach Canterbury. Auch wenn Romane über das Pilgern mittlerweile Hochkonjuktur Haben, hebt sich dieser Roman nocheinmal gut ab. Einerseits hat die Autorin gut recherchiert, in dem sie den Pilgerweg selbst gegangen ist, andererseits beschreibt sie nahezu märchenhaft die Geschichten der sehr verschiedenen und interessantenPilgerfrauen. Che ist und bleibt natürlich die Hauptfigur des Romans und dennoch taucht man in das Leben der anderen Frauen punktuell ebenso intensiv ein. Besonders dankbar bin ich der Autorin über die Einführung der Figuren. Che selbst kann sich die Namen nicht alle auf einmal merken und so fühle ich mich als Leserin schonmal verstanden, da auch ich Schwierigkeiten bekomme, wenn auch mir die Gruppe zu unübersichtlich wird. Che und die Autorin sammeln bei mir damit gleichermaßen Sympathiepunkte. Gleich zu Beginn des Weges muß sich Cher von ihrem Handy verabschieden. Sicher ist das etwas klischeehaft. Wie könnte es anders sein, als dass die geschäftige Businessfrau so gezwungen wird, beim Pilgern zu sich selbst zu finden. Da das ganze aber noch verhältnismäßig nebensächlich behandelt wird, kann ich mit diesem "Standardstart" der Läuterung gut leben. Die Autorin gibt nun jeder der Frauen einen sehr individuellen Raum, ihre Geschichte zu erzählen und dem Leser die Möglichkeit, die Frauen besser kennenzulernen. Jede Frau erhält ihre eigene Bühne und wird für den Moment zur Hauptfigur. Dies finde ich absolut toll gelöst und absolut präsent. Wenn die einzelnen an der Reihe sind, zählt nichts weiteres. Man kann sich ganz einlassen, was nicht zuletzt mit der tollen Qualität der Geschichten zu tun hat. Ganz von selbst lernt man damit auch Che und ihre Haltung kennen, die sich nach dem ersten Drittel des Buches sanft verändert. Neben den tollen Geschichten und interessanten Frauen ist der Weg als solches wunderschön beschrieben. Die Autorin versteht es, den Leser mit auf diese märchenhafte Reise zu nehmen. Einziger Kritikpunkt ist für mich das etwas ausgefranste Ende. Ich habe das Gefühl, die Autorin hat hier den Schlusspunkt verpasst. Im Gegensatz zu den starken und pointierten Seiten vorher wirds im allerletzten Teil etwas fahrig und lang. Trotzdem ein ganz toller Roman!