Fesselnder Agententhriller mit einigen Schwächen

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MEINE MEINUNG
Mit „Die Cellistin“ legt der US-amerikanische, preisgekrönte New-York-Times Bestsellerautor Daniel Silva bereits den 21. Band seiner Gabriel Allon-Thriller-Reihe vor, in deren Mittelpunkt der inzwischen in die Jahre gekommene, charismatische Gabriel Allon steht, einem Kunstrestaurator, legendären Ex-Mossad-Agenten und mittlerweile Chef des mächtigen israelischen Geheimdienstes.
Auch wenn man die Vorgänger-Bände aus der Gabriel-Allon-Reihe nicht kennt, ist der Einstieg in diese problemlos möglich, da jeder Band in sich abgeschlossen ist.
In seinem neuen fesselnden Roman zeigt Silva erneut, dass er ein sehr versierter Geschichtenerzähler ist. Durch detaillierte Recherchen und Erfahrungen in seinem langjährigen Job als Journalist lässt er in seine Agenten-Thriller immer auch beeindruckendes Hintergrundwissen und tiefgründige Einblicke in die Welt des weltweiten Terrorismus und die Arbeit der Geheimdienste einfließen.
In „Die Cellistin“ kombiniert er einmal mehr gekonnt seine Fiktion und brisante politische Themen zu einem spannenden Agententhriller. Vor allem beweist Daniel Silva sein untrügliches Gespür für hochaktuelle, geopolitische Entwicklungen und politische Brandherde unserer Zeit. Diesmal greift er mit der heimtückischen Ermordung des russischen Dissidenten und wohlhabenden Putin-kritischen Zeitungsverlegers Wiktor Orlow in seiner Londoner Wohnung den hochinteressanten Themenkomplex rund um russische Geldwäsche und den demokratiegefährdenden Disinformationskrieg Russlands gegen den Westen auf. So dauert es auch nicht lange bis der vom MI6 hinzugezogene Experte und Chef des israelischen Geheimdienstes Gabriel Allon die Tragweite und wahren Hintergründe des Attentats erfasst. Über eine die Spur von massiven Finanzverbrechen stößt er schließlich auf eine gefährliche, im Verborgenen agierende russische Untergrundorganisation, die eine perfide Unterwanderung des Westens plant und selbst vor dem Äußersten nicht zurückschreckt, und webt in Zusammenarbeit mit weiteren herausragenden Agenten und der titelgebenden deutschen „Cellistin“ und Finanzexpertin Isabel Brenner als Lockvogel ein geniales Spinnennetz, um die Hintermänner zu Fall zu bringen.
Mit der faszinierenden Mischung aus Fakten von topaktueller Brisanz und Fiktion nimmt Silva uns schnell gefangen und zieht uns in die temporeiche Handlung hinein. Trotz ausführlicher, eher trockener Detailinformationen zu den komplexen Mechanismen der internationalen Geldwäsche gelingt es Silva mit geschickten Szenenwechseln, Cliffhangern und einigen überraschenden Wendungen ausreichend Spannung entstehen zu lassen. Die Planung und Ausführung des brillant eingefädelten Coups sowie die packende Jagd nach den Hintermännern ist mitreißend inszeniert und führt uns von London, Amsterdam, Tel Aviv, Genf und schließlich auch nach Washington DC. Es ist sehr spannend mitzuverfolgen, wie sich immer mehr Puzzlestücke zusammensetzen und die involvierten Agenten ihre Aufgaben schrittweise umsetzen, um an ihre Zielpersonen zu gelangen und die Gesamtoperation umzusetzen, die schließlich in einem fesselnden Finale gipfelt. In einem letzten Teil – der Zugabe – legt Silva noch einmal nach, spitzt seinen Plot erneut zu und lässt seinen Thriller mit einem hochdramatischen und folgenschweren Showdown enden. Man darf gespannt sein, wie es für Allon nun weitergehen wird.
Insgesamt versucht David Silva seine Figuren lebensecht und interessant anzulegen, doch wirkten viele der Charaktere (sicherlich auch der Vielzahl an eingeführten Nebenfiguren geschuldet) auf mich recht schablonenhaft und flach. Wir begegnen vielen alten Bekannten aus vorangegangenen Bänden wie beispielsweise dem MI6-Agenten und ehemaligen Profi-Killer Christian Keller, der Kunsthändlerin und Ex-CIA-Agentin Sarah Bancroft oder der Mossad-Legende Ari Schamron, deren Persönlichkeiten aber nur sehr grob umrissen werden. Auch bei der im Mittelpunkt stehenden Protagonistin Isabel Brenner hat Silva ihre persönlichen Beweggründe für ihr Handeln und ihren Gesinnungswechsel erstaunlich wenig herausgearbeitet, so dass sie insgesamt sehr eindimensional und klischeehaft wirkte. Bedauerlicherweise bedient sich Silva auch bei der Darstellung der gesamten Akteure einer allzu platten Schwarz-Weiß-Malerei – gewisse Zwischentöne vermag er bei der Glorifizierung seiner „Helden“ angesichts des allgegenwärtigen „Bösen“ kaum einfließen lassen. Schade eigentlich, denn bei seinen früheren Werken verstand er es durchaus, seine Protagonisten mit all ihren Ecken und Kanten vielschichtig, überzeugend und authentisch auszuarbeiten.

FAZIT
Insgesamt ein spannender, unterhaltsamer Agententhriller mit einem hochbrisanten politischen Thema – aber aufgrund der sehr klischeehaften Charaktere ein eher schwächerer Band aus der Gabriel-Allon-Reihe.