Adel und Exzentrik hebt mangelnde Schönheit auf

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heike lohr Avatar

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Veronika Peters gelingt mit ihrem biographischen Roman eine Erzählung die recherchierte Wirklichkeit mit psychologischem Einfühlungsvermögen und dichterischer Hellsichtigkeit verbindet. Das Lesevergnügen setzt sich aus den vielen realistischen und amüsanten Einzelepisoden des wirklichkeitsgetreu nachgebildeten Lebens zusammen. Es entsteht ein vollkommenes Bild der Schriftstellerin, Künstlerin und hässlichen, ungeliebten Adeligen Edith Sitwell, die kaum eine Chance hat, glücklich zu werden. Die Gärntersfamilie wird zu ihrer Hilfe. Jane erzählt die Geschichte, welche auf ihren beruflichen Erfahrungen mit ihrer Herrin beruht. Sie kann nur ihre Perspektive aufzeigen und sie weiß bis zuletzt nicht, wer ihr Vater ist. Doch ihre freundschaftliche
Verbindung zur Dame hinter dem Vorhang beginnt mit der Neugier und der Suche nach sich selbst ihrer Mutter Emma Bannister, welche zufällig im Park einmal ein Gespräch mit Ediths Mutter führt. Daraus leitet sie eine engere Beziehung zu ihrer Herrschaft ab, die es nicht gibt. Sie lernt das hässliche Kind Edith kennen, verteidigt es und dabei besteht nur ein sechsjähriger Altersunterschied. Als Edith Emma später kennenlernt, entsteht eine
Freundschaft, in welcher die allein gelassene und von den Eltern ungeliebte Edith schon Literatur wieder erzählt, Gedichte rezitiert und viel schauspielerisches Talent beweist. Ihre jüngeren Brüder werden neben
Emma und später ihrer Tochter Jane, sowie Helen Rootham ihre einzigen wahren Freunde sein. Sie lebt immer unter ärmlichen Verhältnisse im Vergleich zu anderen Adeligen und muss durch ihre Dichtkunst ihren Lebensunterhalt aufbessern. Sie liebt einen russischen Künstler, der für sie ihre Kostüme und ihren Stil entwirft, doch er mag lieber Männer und benutzt sie in gewissem Ausmaß nur für seine Popularität. Im eigentlichen Sinne passiert nichts Aufregendes und doch sind diese kleinen Lebenskämpfe, die Alkoholsucht, das Scheitern des Verfilmens eines Romans in dieser von Beschränkungen gekennzeichnenden Lebensführung wahre Abenteuer im Ausmaß einer Safari oder einer größeren Weltreise. In gewisser Weise muss ich an Daphne du Mauriers Parasiten ebenso denken wie an die deutschsprachige Schauspielerin Adele Sandrock, welche auch nicht durch ideale Familienverhältnisse gehen musste, nicht wirklich schön war und trotz allem ihren Weg selbstbewusst und emanzipiert ging. Kurzum dieser Roman erreicht durch seine ehrliche Authentizität einen Effekt der Aufmunterung, was bedeutet, dass der Leser/die Leserin danach sich allen Widrigkeiten des Lebens gewachsen fühlt. Er macht Hoffnung in allen Lebensituationen die kleinen Momente des Glücks zu finden. Gleichzeitig zeigt er auf, dass die Gabe der Dichtung und des kreativen Tuns hilft das Leben, welches ohne Überhöhung so armselig und sinnlos erscheint, in all seinen Facetten auszuloten, zu ertragen und zugestalten. Wer leidet, wächst augenscheinlich künstlerisch über sich hinaus.