interessant und recht britisch

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hiclaire Avatar

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Von Edith Sitwell (1887 – 1964) hatte ich bis dato noch nie gehört, in Künstlerkreisen bin ich nicht sehr bewandert, doch Kurzbeschreibung und Aufmachung des Buches haben mich angesprochen. Und diese Mischung aus biografischen und fiktiven Elementen hat mir insgesamt gut gefallen. Wobei ich gestehe, dass mir die zumindest teilweise fiktiven Passagen aus Ediths Kindheit und Jugend mehr zusagten. Ich fand sie einfach unterhaltsamer als die historisch belegten Sequenzen, die für meinen Geschmack ein wenig zusammenhanglos aneinandergereiht gewesen sind. Wenn man sich möglichst eng an belegte Fakten halten möchte, ist das vielleicht kaum anders möglich, aber ich mag es gern etwas flüssiger.

In ihrem Bericht über das Leben Edith Sitwells springt Jane von deren Lebensabend als Ausgangspunkt immer wieder in der Zeit zurück. Sie erzählt u. a. von den ersten Begegnungen ihrer Mutter Emma mit der kleinen Edith, wie und warum sich deren Beziehung eine Zeitlang sehr eng gestaltet hat. Diese Phase hat mich persönlich am meisten gefesselt. Optisch ist Edith für ihre Eltern schon früh eine Enttäuschung gewesen, die man sie hat spüren lassen. Die Mutter lieblos, der Vater bestenfalls gleichgültig, bitter für ein so kleines Mädchen. Aber sie hat es wohl weggesteckt und ihren eigenen Weg, den Weg einer zur Exzentrik neigenden Künstlerin beschritten. Leicht hatte sie es auch später nicht wirklich, die meiste Zeit in Geldnöten, und mit einer fatalen, fast schon als masochistisch zu bezeichnenden Neigung zu „diesem Bojaren“, wie Jane ihn nennt, der sie nach Strich und Faden ausnutzte, finanziell und auch emotional. Irgendwann auf diesem Weg wurde dann der Alkohol zu einem engen Gefährten, in ihren späteren Jahren dosiert und kontrolliert von Jane.

Edith und Jane verbindet ein sehr spezielles Verhältnis, das sich über siebenunddreißig gemeinsame Jahre entwickelt hat. Jane stellt ihr Leben ganz und gar in den Dienst ihrer „Dame Edith“ (diese wurde 1954 aufgrund ihrer Verdienste in den Adelsstand erhoben) und weicht bis zu deren Lebensende nicht von ihrer Seite. Jane ist für mich eine sympathische Person, klug und schlagfertig, und, gemessen an ihrer Stellung, relativ selbstbewusst.

Man begegnet einigen bekannten Zeitzeugen und auch die Kriegszeiten nehmen einen gewissen Raum ein, aber nach dem Hinweis in der Kurzbeschreibung „In ihrem bewegten Leben spiegelt sich das Bild einer Epoche, die sowohl in politischer wie in kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht von tiefen Brüchen und Umbrüchen geprägt war“ hatte ich mir ein bisschen mehr historischen Hintergrund erwartet. Die Autorin hat die Schwerpunkte anders gesetzt, ist gerade in den späteren Jahren eng an der Figur Edith Sitwells und ihren Eigenheiten geblieben, was der Geschichte für mein Empfinden ein paar Längen beschert hat.

Nichtsdestotrotz habe ich diesen biografischen Roman gern gelesen, mochte den ruhigen, unaufgeregten Erzählstil und vor allem Jane, die (fiktive) Erzählerin.