Diplomatie im Schnelldurchlauf

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romy_abroad Avatar

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Fred hat sich für ein Leben als Diplomatin entschieden: Gepanzerte Fahrzeuge, Servietten mit Bundesadler und ein Empfang nach dem anderen - das ist Alltag für die erfahrene Botschafterin, die routiniert Krisen abwendet und souverän politische Klippen umschifft. Ihre aktuellste Entsendung führt sie nach Istanbul, wo das meterologische Klima zwar angenehm, aber das politische dafür umso konfliktgelandener ist: Deutsche Staatsbürger in Haft oder vor Gericht sind immer eine diplomatische Herausforderung, die Fingerspitzengefühl erfordert. Ganz besonders wenn der türkische Staat sie ausschließlich aus politischen Gründen im Visier hat. So kommt es, dass Fred sich gleich um drei deutsche Schützlinge kümmern muss, die mit den lokalen Gesetzen auf die ein oder andere Weise in Konflikt geraten sind. Und auch emotional ist Fred nicht mehr ganz unbeteiligt was die drei angeht, was ihre Arbeit als Diplomatin nicht gerade leichter macht...
Lucy Fricke erzählt mit hoher Sachkenntnis (so zumindest mein Eindruck) von der Arbeit in einer deutschen Botschaft. Der Alltag mit deutschen Kollegen und lokalen Angestellten wird immer mal wieder aufgegriffen, als Leser erfahren wir einiges darüber, welche Aufgaben einer deutschen Botschaft zufallen. Gleichzeitig lernen wir Fred, die Hauptfigur, immer besser kennen. Und obwohl die Erzählung ausführlich genug ist, dass keine Fragen offen bleiben, so fehlt mir doch etwas Substanz in der Erzählung. Es ist, als würde man eine Geschichte aus zweiter Hand erfahren, mit Fokus darauf, nichts Wichtiges zu vergessen. Stimmungen, Gefühle, Atmosphäre bleiben auf der Strecke, da in jedem Kapitel die Handlung voranschreitet, etwas Neues passiert, sodass man das Gefühl hat etwas zu verpassen, wenn man versucht sich tatsächlich in die Situationen hinein zu versetzen, oder die Charaktere wirklich kennen zu lernen. Das finde ich insgesamt schade, da Fred mir sehr sympathisch ist, und ich gerne mehr über ihren Werdegang, ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen, aber auch ihre Ängste, erfahren hätte.
Da das Buch alles andere als langatmig ist, ließt es sich zügig und flüssig. Kleinere Sprünge in der Handlung sind keine große Herauforderung beim Lesen, da sie meist zeitnah aufgeklärt werden oder erste gar keine Fragen aufwerfen. Trotzdem hätte Fred für mich mehr Potential gehabt, und ich hätte mehr ein Buch mit mehr Volumen, Liebe zum Detail und Zeit für Atmosphäre gewünscht.