Diplomatie und Menschenrechte

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stricki Avatar

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Ein Buch über eine Diplomatin wäre jetzt nicht meine erste Wahl, wenn ich nach einem neuen Roman Ausschau halte. Da dieses Buch aber von Lucy Fricke ist, eine meiner Lieblingsautorinnen, war ich neugierig.

Und ich wurde nicht enttäuscht, es ist eine wunderbare Geschichte: Diplomatin "Fred", 50 Jahre alt, begleiten wir bei ihrer Arbeit, erst in Montevideo, dann in Istanbul, dann in Hamburg.
Das Buch beginnt leichtfüßig, fast schon komisch, so absurd muten die Vorbereitungen für den Tag der deutschen Einheit in Uruguay an. Aber schnell wird klar, das Leben der Diplomatin besteht aus vielen langweiligen Pflichten und Terminen, aber in Krisensituationen trifft sie die volle Wucht der Verantwortung. Für das Leben einer jungen Touristin, die entführt wird beispielsweise.
Richtig spannend wird es in Istanbul, wo Fred immer mehr mit verzweifelten Menschen konfrontiert wird, die aufgrund politischer Aktivitäten, so harmlos sie für uns erscheinen, verhaftet wurden. Oder kurz davor sind. Hier sind die Diplomaten gefragt, mit all ihrer Erfahrung, ihrer Kompetenz und viel Fingerspitzengefühl. Und manchmal noch so einiges darüber hinaus.

Lucy Fricke lässt uns teilhaben an den Gedanken der Diplomatin. Das Schicksal der Menschen lässt sie nicht kalt, sie versucht zu helfen wo sie kann, sie zweifelt, sie kommt an ihre Grenzen und darüber hinaus, sie ist genervt von den "Männerbünden in Machtpositionen", sie ist sich als Arbeiterkind, das in der ehemaligen DDR aufwuchs, ihrer Privilegien deutlich bewusst. Und manchmal ist sie müde, wenn Journalisten, Künstler, Touristen oder Angehörige den Ernst ihrer Lage nicht erkennen und ihre gutgemeinten Warnungen und Empfehlungen in den Wind schießen und sich in Situationen lavieren, die für die Diplomaten kaum noch zu retten sind. Damit nicht genug muss sich Fred auch noch um ihre Mutter in Hamburg kümmern, die immer mehr zum Pflegefall wird.

Das Buch beschäftigt mich. Es hatte eine gewisse Sogwirkung, und von mir aus hätte es gern umfangreicher sein können. Erwarten wir als Touristen nicht, dass sollten wir in einem anderen Land in Schwierigkeiten stecken, die Botschaften uns schon helfen werden? Ich bin jetzt nicht mehr so blauäugig, wie ich es vor diesem Buch war. Es ist ein Roman, aber für mich hat er ein gewisses politisches Gewicht und orientiert sich an der aktuellen Situation in unserer Welt.

Leseempfehlung!