Trifft den Nerv der Zeit!

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Friedericke „Fred“ Andermann ist eine Macherin, mit Ehrgeiz und Pragmatismus hat sie ihr Karriereziel als Diplomatin erreicht, ein Posten, in dem sie endlich etwas bewirken kann.
Doch in Montevideo spürt sie das erste Mal das dumpfe Gefühl des Scheiterns, das ihre lupenreine Karriereleiter befleckt und nach einem grauen Jahr in der Berliner Zentrale im Krisenreaktionszentrum, wird sie schließlich nach Istanbul versetzt. Eine Stadt, die noch in der Vergangenheit steckt und nur eines von ihr zu fordern scheint: ihre Geduld.

„Die Erschöpfung war uns allen anzumerken, die Erschöpfung darüber, an zu vielen Fronten kämpfen zu müssen, dass jeder Schritt, den man setzte, einer zurück war, dass sich alles in die falsche Richtung bewegte.“

Lucy Fricke bringt die Botschaft wortwörtlich auf den Punkt, bis Freds Fassade anfängt zu bröckeln. Und als sich dann auch noch eine diplomatische Krise auf ihre Bettkante setzt, sind wir mittendrin in ihren Gedanken, ihrem inneren Konflikt. Sie sucht Halt in ihrer Arbeit, an Fakten, findet aber nur die Gewissheit über ihre politische Wirkungslosigkeit. Und irgendwann biegt Fred ab und beginnt auf ihre Gefühle und Hoffnungen zu hören, trifft Entscheidungen aus dem Bauch heraus und nimmt das Schicksal selbst in die Hand.
Das Ganze kommt mit Tempo und in gewohnter Lucy Fricke Manier: abstrus, ironisch und geradeheraus.

Was bleibt sind die unbequemen Fragen an die Wirkung und Macht der Demokratie, die wohl selten so eine schreckliche Aktualität inne hatten wie in diesen Tagen. Zwischen Hilflosigkeit und Ohnmacht macht der Roman Platz für einen kritischen Blick auf gesellschaftliche und politische Verhältnisse und lässt die Rolle des Zuschauers, die man oft selbst bekleidet, mit einem tiefen Kratzer zurück.