Ein Spiel mit Realität und Fiktion

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theresia626 Avatar

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“Die drei Leben der Tomomi Ishikawa” von Benjamin Constable beginnt mit einem Gespräch zwischen Ben Constable und seiner Freundin Tomomi Ishikawa (genannt Butterfly). Darin erläutert er ihr seinen Plan, ein Buch zu schreiben, in dem sie beide die Hauptfiguren sind. Es soll ein Fall von Niedertracht darin vorkommen, ein Rätsel eingebaut sein, der verworrene Plot soll den Leser in die Straßen von Paris entführen und dann nach New York. Es soll ein Buch über eine ungewöhnliche Freundschaft werden. Ben wäre das letzte Mordopfer, wenn es nach Butterfly ginge, und sie ist die Täterin, so seine Idee (S. 8/9). Am 15. März 2007 erhält Ben überraschend von Butterfly einen Brief. Sie schreibt ihm, dass das der Anfang von etwas Neuem ist, etwas Großem, der Auftakt zu einem Abenteuer, und dass sie sterben wird. Wenn ihn dieser Brief erreicht, dann ist sie schon ein paar Stunden tot (S. 17). Voller Kummer über den Verlust seiner Freundin geht Ben in ihre Wohnung. Er hat einen Wohnungsschlüssel für den Notfall oder um ihre Blumen zu gießen. Dort hat sie ihm eine weitere Nachricht hinterlassen: er soll den Laptop und ihren Kugelschreiber mitnehmen. Weil er das Ladekabel vergessen hat, muss Ben später noch einmal in die Wohnung. Dort stellt er kleine Veränderungen fest. Es muss jemand nach ihm in der Wohnung gewesen sein. Ben entdeckt auf dem Computer Dateien, die ihm, so Butterfly, als Inspiration für seinen Roman dienen können und außerdem schreibt sie ihm, dass er einen romantischen Tod verdient hat. Schon früh kommen Ben Zweifel, ob Butterfly wirklich tot ist, denn ihn erreichen E-Mails, die nach ihrem Tod abgeschickt wurden. Trotzdem folgt er ihren letzten Anweisungen, immer begleitet von seiner imaginären Katze, und begibt sich auf eine geheimnisvolle Schatzsuche, die ihn in die entlegensten Ecken von Paris führt. Später begibt er sich nach New York und lernt dort die junge Studentin Beatrice kennen. Sie muss Butterfly gekannt haben und er vermutet, dass die seltsamen E-Mails, die ihn erreichen, von ihr sind, weil sie sehr detaillierte Informationen enthalten, über die eine tote Person nicht verfügen kann. „Irgendjemand schickt mir Sachen von ihr und diese Person bist du oder hat zumindest irgendwie mit dir zu tun.“ (S. 283) Ben entdeckt, dass Butterflys Leben nicht unschuldig war, ihre Nachrichten enthalten grausame Erinnerungen einer schrecklichen Kindheit. Ben kannte seine Freundin nicht wirklich, und er beginnt sich zu fragen, ob ihre Geschichten wahr sind oder nicht. Wenn sie wahr sind, dann ist Butterfly eine Serienmörderin gewesen.
Der Roman von Benjamin Constable “Die drei Leben der Tomomi Ishikawa” liest sich gut. Er ist eine Kombination aus einer Schatzsuche mit mehreren eingebauten Rätseln, die nur Ben lösen kann. Das Besondere an diesem Roman ist allerdings, dass Constable einen Roman im Roman geschrieben hat und der Leser sich immer wieder fragt, inwieweit er dem Erzähler vertrauen kann. Ist das, was berichtet wird, wirklich geschehen - im Kontext des Romans natürlich -, oder sind das alles Fantasien eines ungewöhnlich kreativen Erzählers? In seinem letzten Brief an Tomomi Ishikawa zerstört der fiktive Autor Ben Constable selbst die Romanillusion, was zusätzlich zu einer Verunsicherung des Lesers führt. Auf jeden Fall ist Constables Roman eine raffinierte, sehr originelle Konstruktion.