Aus dem Leben einer Schnorrerin

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miro76 Avatar

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Alex verbringt den Sommer mit Simon in den Hamptons. Endlich hat sich es geschafft in die Welt der Schönen und Reichen. Fast glaubt sie schon, dass sie ihre Zügel etwas lockerer lassen kann und wirklich angekommen ist. Doch der Schein trügt und nach ein, zwei kleinen Fehltritten, wird sie prompt vor die Tür gesetzt.

Dabei hatte sie sich perfekt an Simons Rhythmus angepasst. Sie war sein anschmiegsames Kätzchen, dass ihn in Ruhe ließ, wenn er seine Ruhe haben wollte. Das ist wohl der Preis, wenn man sich derartig weit nach oben schlafen will. Denn Alex lebt davon, dass sie sich aushalten lässt und hat das zu ihrem Beruf gemacht.

Würde sie ausnahmslos Reich & Schön ausnehmen, wäre da ja noch gar nichts einzuwenden. Doch sie schreckt nicht davor zurück auch ihre Mitbewohner*innen, Hausangestellte oder einfache Jugendliche auszunutzen, wenn es ihr gerade zum Vorteil gereicht. Sie ist Meisterin der Manipulation und kann relativ gut in anderen Menschen lesen. Doch sie treibt es zu weit.

Als Leserin könnte ich fast Mitleid mit ihr haben, denn sie setzt sich in den Kopf Simon zurückzuerobern und deshalb muss sie eine Woche ausharren in den Hamptons - ohne Geld und ohne Unterkunft. Da sie aber so rücksichtslos mit ihren Mitmenschen umgeht, ist es schwierig Empathie für sie aufzubringen. Manchmal blitzt ein Funken Anstand bei ihr auf, nur um schnell wieder mit dem nächsten Diebstahl zunichte gemacht zu werden. Wie und warum sie zur Edelnutte oder professionellen Schnorrerin wurde, verrät uns die Autorin nicht.

Die fehlende Vorgeschichte lässt uns die Protagonistin nie wirklich greifbar erscheinen. Ihre Persönlichkeit versteckt sich hinter ihrem Zwang einen Weg in die Upper Class zu finden und dabei geht sie über Leichen. Sie scheint keine Moral zu kennen. Hat Sex wenn es nützlich ist, steht ständig unter Drogen und giert nach Macht und Geld. Sie scheint die Moral der Gesellschaftsschicht, in die sie so dringend möchte, so überspitzt verinnerlicht zu haben, dass ihre Persönlichkeit darin aufgegangen ist.

Bei der Lektüre war ich selbst überrascht, wie gerne ich die Geschichte dieser überaus unsympathischen Person gelesen habe. Ich muss gestehen, dass ich ihr etwas Unglück gegönnt hatte und an ein Happy End hatte ich sowieso nie geglaubt. Doch das gewählte Ende hat mich auch ein bisschen unzufrieden zurückgelassen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es richtig verstanden habe. Es lässt auf jeden Fall Interpretationsspielraum.

Da mich Emmy Cline mit ihrem Roman aber ausgezeichnet unterhalten hat, vergebe ich gerne 4 Sterne und empfehle es allen, die gerne einen kritischen Blick in die Welt der Superreichen werfen wollen.