Die Ausladung

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In "Die Einladung" von Emma Cline geht es vorrangig gar nicht so sehr um eine Einladung, sondern viel mehr um eine Frau, die sich mit ihrem Körper Zutritt in die Welt der Reichen und Schönen erarbeitet hat, und dann quasi über Nacht wieder ausgeladen wird.
Alex ist jung, schön und in einer finanziell angespannten Situation. Mit ihrem alternden Sugardaddy verbringt sie lange, sorglose Tage in seinem Haus in den Hamptons bis ein Fehltritt auf dem gesellschaftlichen Parkett zu ihrem Rauswurf aus diesem Leben führt, in dem sie nur ein Gast auf Zeit gewesen ist. Danach irrt sie ziellos durch die Gegend. Eine Art Zaungast, ein Abfallprodukt, im schrecklichsten Sinne des Wortes, dieser Gesellschaft, in der nur Materielles und Oberflächlichkeiten zu zählen scheinen.
"Die Einladung" ist ein spannendes Porträt einer Protagonistin, die sich nicht recht einfügen will in die gängigen Klischees eines Täter-Opfer-Bilds. Sie tut, was getan werden muss, um mit den für sie zur Verfügung stehenden Mitteln das beste Ergebnis zu erzielen. Dabei geht sie nicht immer den legalen oder den moralisch saubersten Weg. Der Roman lotet jedoch feinsinnig aus, wie sehr Alex' Schicksal und ihr Handlungsspielraum durch eine vorgegebene Klassenzugehörigkeit und nicht zuletzt durch ihr Dasein als Frau begrenzt werden. Wie sie trotz aller Gegenwehr doch so oft ein Spielball der Mächtigeren bleibt.
Das Buch ist auch eine Klassenstudie eines Amerikas, in dem Überdruss und eine auf unverhältnismäßigem Reichtum begründete emotionale Verwahrlosung vorherrschen, und es ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, in der heutigen Welt eine Frau zu sein. Welche Anforderungen, Klischees, Grenzen, Vorurteile, Möglichkeiten und Perspektiven damit einhergehen. Besonders gefallen an der Geschichte hat mir die Ambivalenz, mit der Alex gezeichnet ist. Sie ist nicht gut und nicht schlecht, keine Heldin, aber auch keine Schurkin. Sie ist herrlich echt, roh, verwundbar, berechnend, verschlagen, verloren, suchend.
Ich finde, das Buch ist ein großartiges und spannendes Stück Gesellschaftskritik, das einen Nerv unserer Gegenwart trifft.