Taumeld in den Abgrund

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toniludwig Avatar

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Mit Spannung wurde in Deutschland der zweite Roman der kalifornischen Autorin Emma Cline erwartet, die 2016 mit dem vielbeachteten Werk >>The Girls<< debütierte.

Nun erschien >>Die Einladung<< in der Übersetzung von Monika Baark bei Hanser.

Hier begleiten wir Alex, eine junge Frau von 22 Jahren, über nicht viel länger als eine gute Woche lang.
Doch gut ist für Alex gar nichts : Zwar ist sie einem zwielichtigen Bekannten unter Mitnahme dessen Bargeldvermögens zweifelhafter Herkunft zunächst erleichtert entkommen und kann nun als Geliebte des wohlhabenden und mehr als doppelt so alten Simon auf dessen Grundstück wohnen, schwimmen gehen und sich den Annehmlichkeiten des Nichtstuns hingeben.
Als mutmasslich gleichberechtigte Partnerin hat sie zumindest wieder ein Dach über dem Kopf und einen einigermassen gesicherten Boden unter den Füssen.
Mit dem ihr eigenen Talent der Selbstaufgabe gelingt es ihr, vermeintlich in der Welt der selbstverliebten Reichen und Schönen anzukommen, argwöhnisch beobachtet vom Personal, über welches sie sich nun zeitweilig erheben könnte (was sie freilich nicht ausnutzt).

Doch Alex bleibt unstet, rast- und ruhelos. Sie verursacht Schäden, zunächst nur materieller Art. Doch dann leistet sie sich auf einer alkoholinensiven Party mittels einem in der Hierarchie ihr dann doch nicht zustehenden Flirt mit dem einladenden Gastgeber einen Ausrutscher zu viel und überschreitet damit ihre Rolle als Aushängeschild aus der Sicht ihres Gönners.

Simon, der sie bislang ausgehalten hat wie ein gefügiges Spielzeug, ihr hochwertige Kleidung kaufte, und als Gegenleistung ihre Sexspiele genoss und vor allem in seinem Drang nach Selbstdarstellung ihr nie Fragen stellte, macht ihr eiskalt und unmissverständlich klar, dass sie nunmehr nicht mehr erwünscht sei und Alex verlässt unfreiwillig das Anwesen, nicht ohne das eine oder andere illegal noch an sich zu nehmen.

In ihrer Tablettenabhängigkeit, ihrem Wahrnehmungsverlust und ihrem nur auf eigene Äußerlichkeiten gerichteten Dasein versteigt sich Alex zu der Theorie, dass alles nur ein Missverständnis sei und Simon sie eine Woche später zu einem grossen geplanten Fest verzeihend erwarten würde.

Diese Zeit nun gilt es zu überstehen und Alex begibt sich in weitere Abhängigkeiten und auf magische Weise gelingt es ihr immer wieder, erst Menschen zu täuschen, sie für ihre Interessen auszunutzen und hernach zu verletzen.

Das Buch lässt sich genauso atemlos lesen, wie die Protagonistin auftritt.

Dennoch stellt sich dem Leser die Frage nach dem Sinne des Romans. Wir erfahren nichts über die junge Frau, ihrer Herkunft, ihrer Kindheit.
Wir erfahren einiges über Abhängigkeiten innerhalb und ausserhalb von sozial unterschiedlichen Schichten, nichts Neues freilich.

Und so bleibt am mit Spannung erwarteten Ende des Textes ein sublim unbefriedigendes Gefühl zurück : was will uns die Autorin eigentlich mit diesem Werk sagen ?

Ein klassisches Sozialdrama jedenfalls ist dieser Roman erkennbar nicht, gute Unterhaltung und ein Mitfühlen mit der jungen Frau, die doch einmal in ihrem Leben etwas besser machen könnte oder zumindest einmal etwas zu einem guten Ende bringen sollte, bleibt es jedoch allemal.

Und dies ist das Schlechteste nicht, denn es ist gepaart mit etwas melancholischer Traurigkeit über den Verlauf eines so jungen Lebens, welches doch gerade erst beginnen könnte.

Doch der Bogen des Lebens, sagt Alex in der ihr eigenen Selbstreflexion, war vorherbestimmt und seine Grenzen schon sichtbar.

Abgründige Verhältnisse !