Tauschgeschäfte

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wilde hummel 1 Avatar

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Bereits das Buchcover mit der offenen, ausgestreckten Hand lässt offen, ob es eine fordernde, eine bettelnde oder gebende Hand ist. Emma Clines neuer Roman hat wieder ein Frauenleben im Visier. Alex, eine junge Frau hat befristete Verhältnisse. Sie erfasst intuitiv die Bedürfnisse der Männer, passt sich bis zur Selbstauflösung an, spielt ihre Rolle. Alex ist unauffällig auffällig. Sie flirtet wie ein naiv unschuldiges Mädchen und hinterlässt Verwüstungen. Ihre Liaison mit Simon, einem grauhaarigen, reichen Sugardaddy findet ein jähes Ende mit einem Rausschmiss. Ihre gesamte Habe passt in eine Strandtasche und sie will wieder zurück in die Welt der Reichen. Sie ist wie Treibsand, unstet und ohne echte Bindung. Ihr Kapital ist ihr Körper, ihre potentielle sexuelle Bereitschaft, ihre Anpassungsfähigkeit und doch sind die Tauschgeschäfte nicht gleichberechtigt. Alex verliert ihren befristeten Platz als Geliebte, ist austauschbar und der weiße reiche Mann investiert ein wenig von seinem Geld und findet wieder eine willfährige schöne junge Frau. Alex ist weder gut, noch böse - sie ist beides in ihrer Überlebensstrategie von Angebot und Nachfrage, von Macht und Abhängigkeit. Alex ist nur Gast in den Hamptons, willkommen, wenn sie ihren körperlichen Eintrittspreis entrichtet. "Da war es, das Aufflackern von Empfänglichkeit, der kaum merkliche Blick auf ihre Brüste" (Seite 129). Emma Cline hat mit Alex eine Figur lebendig gemacht, die dem Opfer-Täter-Klischee facettenreich begegnet und mit sezierender Genauigkeit die soziologischen, psychosozialen Unterschiede der Klassenzugehörigkeit der Romanfiguren in eine spannende Geschichte gepackt. Leider ist der Schluss sehr abrupt und lässt viele Interpretationen zu. Aber ansonsten meine absolute Leseempfehlung.