Eine berührende Reise mit wunderbaren Charakteren

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In "Die Erfindung der Sprache" schickt Anja Baumheier ihren Protagonisten Adam Riese auf seine ganz eigene Heldenreise. Eine Reise, auf der Adam über sich selbst hinauswächst.

Adam ist schon als Kind besonders. Er wird um einige Wochen zu früh geboren, fängt erst mit zwei Jahren an zu sprechen, kann dafür aber wenig später bereits lesen und stürzt sich augenblicklich auf Fachliteratur jeglicher Art. Als Adam 13 ist, begibt sich sein Vater Hubert auf eine Pilgerreise, von der er nicht zurückkehrt. Das Fortbleiben des Vaters belastet nicht nur Adam und seine Mutter Oda, sondern auch die ganze Gemeinschaft der kleinen ostfriesischen Insel, auf der sie leben. Knapp zwei Jahrzehnte später taucht plötzlich ein Hinweis auf Huberts Verbleib auf. Der an Angststörungen leidende Adam macht sich auf die Suche, wobei er Hilfe von einigen überraschenden Seiten bekommt.

Das Buch ist in zwei Erzählstränge gegliedert, die in den letzten Kapiteln zusammenfinden. Zum einen begleiten wir den erwachsenen Adam auf der Suche nach seinem Vater durch Europa. Wir erleben, wie er sich seinen Ängsten stellt und Freundschaften schließt - beides bis dato unmöglich erscheinende Dinge. Zum anderen nimmt uns Anja Baumheier in die Vergangenheit mit. Wir erfahren, wie sich Odas Eltern kennenlernen und auf der Insel eine Existenz und Familie gründen. Auch Odas Liebesgeschichte mit Hubert wird erzählt. Doch ein Geheimnis bleibt bis zum Ende gewahrt: Was mit Hubert auf der Pilgerreise passiert ist und warum er nicht zurückkehrt.

Anja Baumheier hat eine sehr bildhafte Sprache, etwas, das mir immer gut gefällt. Kurioserweise hat es mich diesmal nicht immer überzeugt. Die Autorin spielt sehr gekonnt mit den Worten und das durchgehend. Auf die Dauer war es leider sehr anstrengend, da ich immer über Wortschöpfungen wie "semmelblonden Locken", "apfeliger Alkoholmattigkeit" oder auch Bezeichnungen diverser Wolkenformen hängen blieb. Ich hätte mir gewünscht, die Autorin hätte dieses Stilmittel nicht allzu oft eingesetzt. Dadurch wird die wunderbar leise erzählte Geschichte bisweilen etwas langatmig.

Der heimliche Star der Geschichte ist die Insel-Gemeinschaft. Ich war vollkommen begeistert von den liebenswerten Insel-Bewohnern, die so sehr an Adams Leben und dem seiner Eltern Anteil nehmen. Nicht nur bangen alle bei Adams zu früher Geburt um ihn und unterstützen die Eltern in jeglicher Art (der Insel-Arzt bildet sich aus, damit er das Frühchen bestmöglich fördern kann, die Polizistin sorgt für holperfreie Straßen, Hubert bekommt Unterstützung beim Ausbau seines kleinen Hauses...), sie sind auch bei Huberts Verschwinden an Odas Seite, engagieren einen Privatdetektiv, telefonieren Polizei und Krankenhäuser in Spanien ab, während Odas Mutter in einer Tour kocht und backt. Wundervoll! Ich wollte sofort auf die Insel ziehen.

Besonders die letzten Seiten sind sehr rührend und haben mir ein paar Tränen in die Augen getrieben (der Brief!), obwohl ich die Erklärung des Verschwindens nicht ganz nachvollziehen konnte.

Fazit: Anja Baumheier hat eine wunderbare Familien- und Inselgeschichte geschrieben, die mich bis zum Ende gefesselt hat. Obwohl der wortakrobatische Stil bisweilen etwas zu viel des Guten ist, ist das Buch aufgrund seiner vielen wunderbaren Protagonisten unbedingt lesenswert.