eins der besten Bücher der letzten Zeit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
jojoooo Avatar

Von

Anja Baumheier beschreibt in ihrem neuen Roman mit viel Witz und Charme die Odyssee des jungen, meiner Meinung nach leicht autistischen Sprachwissenschaftsprofessors Adam Riese, der sich auf die Suche nach seinem Vater Hubert macht. Dieser war während der Begehung des Jakobsweges verschollen, als Adam 13 Jahre alt war. Ein Umstand, der Adams Mutter Oda, eigentlich erfolgreiche Radiomoderatorin, nur wenig später verstummen ließ. Nun aber hat sich ihr Zustand erneut rapide verschlechtert. Der Grund: In einer Buchhandlung ist Oda auf ein Buch gestoßen, in welchem die Autorin die sogenannte BaBeBeBo, die Baby-Bedürfnis-Benachrichtigungsbox beschreibt, die Hubert vor knapp 30 Jahren nach der Geburt seines Sohnes erfunden hat. Nun sieht sich Adam – nicht zuletzt durch das Zutun seiner willensstarken tschechisch-stämmigen Großmutter Leska – gezwungen, seinen Vater und so auch seine eigenen Wurzeln zu finden. Und das, wo Adam es doch hasst, auf Reisen zu gehen, weil ihn dann die außerplanmäßigkeitsinduzierte Panik überfällt!
Für mich war dieses Buch eines der besten, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Ganz besonders überzeugend finde ich, mit welcher Liebe die Charaktere in diesem Buch beschrieben werden. Sie alle haben ihre pedantischen Seiten, bleiben dabei aber durchweg liebenswert. Am meisten ans Herz gewachsen ist mir dabei Adams Großmutter Leska, die mit ihrem kreativen Sprachgebrauch immer wieder die Stimmung auflockert und mich zum Lachen gebracht hat (“Was Leute sich lassen einfallen mit Verwendung von Sprache, putzig.” – “Immer noch keine erfolgreiche Befruchterung?” – “Ich verstehe klarglas.”). Auch Adam, den man das ganze Buch über begleitet, war mir trotz oder gerade wegen all seiner Macken von Anfang an sehr sympathisch.
Die Story fand ich auch sehr gut, es ist jedenfalls trotz dieses “einer tut eine Reise und erlebt dabei was”-Themas nichts, was man schon hunderttausendmal gelesen hat, und ich konnte mir bis zuletzt die unterschiedlichsten Ausgänge vorstellen. Die Story lässt sich zugegebenermaßen ein klitzekleines bisschen langwierig an, steigert sich dann aber zu “dramatische Drama”, wie Leska immer wieder sagt. Ich persönlich fand’s angemessen spannend, schließlich ist das ja kein Thriller.
Nicht zuletzt bin ich ein Fan dieses Buches, weil es immer wieder auf unterhaltsame Art und Weise versteckte oder auch nicht so sehr versteckte Anspielungen enthält – auf Werke der Literatur, der Popkultur, auf christliches und Allgemeinwissen sowie sprachwissenschaftliches Fachwissen. Dadurch wurde mir beim Lesen nie langweilig! Ich bin sicher, dass ich das Buch wieder in die Hand nehmen werde und dass ich beim erneuten Lesen noch so einiges entdecken werde, dass mir beim ersten mal durch die sprichwörtlichen Lappen gegangen ist.
Einziger kleiner Wehrmutstropfen: Die Story ist in zwei Zeitstränge unterteilt, nämlich einmal Adam heute auf Vatersuche und einmal die Zeit vom Kennenlernen seiner Großeltern bis in Adams Kindheit. Daran ist an sich nichts auszusetzen. Ich persönlich habe (als Kind der Neunziger) jedoch den Großteil dieses letztgenannten Zeitraums nicht miterlebt und fand es das eine oder andere Mal etwas schwierig, mich zeitlich zurecht zu finden, wenn wieder ein Kapitel mit Rückblick kam. Eine Jahreszahl zu Beginn des Kapitels hätte mir schon sehr geholfen. Es war aber auch ohne gut zu verstehen, sodass ich dafür keinen Stern abziehe.
Insgesamt meiner Meinung nach: sehr charmant, sehr unterhaltsam, sehr zu empfehlen!