Große Dinge passieren überall

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Timur Aslan träumt davon, als Journalist über die wichtigen Themen der Welt zu schreiben. Der Zwanzigjährige fristet derzeit allerdings sein Dasein als freier Mitarbeiter in einer Lokalredaktion des Westfälischen Kuriers. Sein Ziel sind es keinesfalls, ständig 70 Zeilen über den örtlichen Geflügelzüchterverein, gefolgt von Eilmeldungen der lokalen Prominenz zu veröffentlichen. Wie schön wäre ein Volontariat in der Hauptredaktion! Ein ehemaliger Schulfreund soll ihm helfen, dort einen Fuß in die Tür zu bekommen. Zunächst hat er aber einen anderen Artikel zu recherchieren: Annette hat nämlich ein Geheimnis. Mit der betagten Dame reist er im Oldtimer in die Schweiz, ohne zu ahnen, dass diese Geschichte sein Durchbruch sein kann.

Tarkan Bagci beschreibt ungeschönt die Anfänge eines jeden Redakteurs. Wer Talent und ein bisschen Glück hat, wird irgendwann einen der begehrten Jobs bei den großen Magazinen ergattern. Die Plätze sind allerdings rar. Die meisten quälen sich wie sein Protagonist Timur vor weißen Seiten und behelfen sich mit aufgeplusterten Adjektiven über die Zeilenvorgabe. Der Zwanzigjährige hat konkrete Vorstellungen, welche Art von Journalismus er machen will. Es soll wichtig sein und in den großen Magazinen veröffentlicht werden. Er schaut neidisch auf die Leben seiner Schulfreunde, die scheinbar täglich aufregende Dinge erleben und sich in die weite Welt treiben lassen. Die Grenzen seiner Kleinstadt sind ihm längst zu eng geworden. Die Aufbruchsstimmung wird spürbar und man leidet sogar ein bisschen mit dem jungen Mann, wie er vor einer weißen Seite sitzt und seinem Leben so gar nichts abgewinnen kann.

Die besten Gelegenheiten ergeben sich ja, wenn man gar nicht damit rechnet. So bekommt er auf dem Seniorenabend zugeflüstert, dass Annette ein Geheimnis hat. Seine journalistische Neugier wird sachte geweckt. Sofort erkennt er, dass die Region sich für die Erfinderin des Dosenöffners interessieren würde. Einen Artikel in einem Magazin wird es vermutlich nicht werden. Aber Annette hält weitere Überraschungen bereit. Die 73-jährige sprüht vor Lebenslust und nimmt Timur unter ihre Fittiche. Der lebendige Erzählstil mit überwiegendem Dialoganteil wirkt dabei authentisch. Der alltägliche Gegenstand Dosenöffner präsentiert sich plötzlich in einem glamourösen Licht und ist es tatsächlich wert, in einem überregionalen Artikel erwähnt zu werden. Der Bericht wird dem Leser nicht vorenthalten und liest sich perfekt.

Tarkan Bagci kann selber auch auf eine bemerkenswerte Karriere zurückblicken. Die Erfindung des Dosenöffners ist sein Debütroman, nachdem er bereits als Comedy-Autor für namhafte Fernsehserien tätig war. Das merkt man dem Roman ebenfalls an. Er ist spritzig, unterhaltsam und emotionalisiert. Deutlich stellt er heraus: Große Dinge passieren überall.