Von Dosenöffnern, Zeitungsknüllern und großen kleinen Geschichten - unterhaltsamer Wohlfühlroman mit viel Humor

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gluexklaus Avatar

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Timur Aslan ist 20 und arbeitet als freier Mitarbeiter bei einer Lokalzeitung. Besonders erfüllend findet er es nicht, über Hühnerzüchter oder Kegelvereine zu berichten. Er hofft, ein Volontariat bei einer größeren Zeitung zu erhalten, muss sich dafür aber erst beweisen. Deshalb ist Timur auf der Suche nach einer richtig guten „großen Story“. „Annette hat ein Geheimnis“ erzählt ihm ein Rentner auf einer Veranstaltung im Vertrauen, doch das interessiert Timur zunächst nicht. Erst als sich keine weiteren Möglichkeiten für einen richtigen „Knüller“ finden, befasst sich Timur näher mit Annette, einer älteren Frau, die im Altenheim lebt. Annette, die behauptet, dass sie den Dosenöffner erfunden hat. Ob das Timurs große Story wird, die seine Karriere als Starjournalist ins Rollen bringt?

Tarkan Bagci, gerade mal Mitte zwanzig, schreibt witzig, manchmal flapsig, klar und direkt aus der Sicht seines Protagonisten Timur Aslan. Er bringt die Dinge oft erstaunlich prägnant auf den Punkt und formuliert beeindruckend treffende Passagen wie „In einem Dorf ist Stille immer romantisch, aber in der Kleinstadt ist sie irgendwie unangenehm. Die Kleinstadt ist wie das ungewollte Kind von Dorf und Großstadt, das selbst nicht weiß, wo es hingehört. Fürs Dorf zu Groß, für die Stadt zu klein. Wie ein Teenager in der Pubertät, hässlich und unentschlossen.“

Hauptfigur Timur ist unzufrieden. Er fühlt „sich schäbig“ und „schämt sich für sein Leben“. Der junge Mann glaubt, in der Kleinstadt festzustecken, die er verachtet, während all seine Freunde etwas aus ihrem Leben „machen“. Dabei weiß er genau, was er will: schreiben, aber eben nicht auf Lokalebene, sondern auf höherer. Anfangs erscheint Timur nicht besonders sympathisch, eher oberflächlich und arrogant, ihm sind Likes wichtiger als Ehrlichkeit, er legt mehr Wert auf den Schein als aufs Sein. Doch als er Annette näher kennenlernt, ändert sich seine Einstellung. Er zeigt, dass in ihm ein echt guter Kerl steckt. Irgendwie liebenswert wirkt auch sein etwas unbeholfener Vater. Und der anfangs ruppigen, distanzierten Annette und ihrem Geheimnis wollte ich sofort auf den Grund gehen. Durchaus interessante Figuren hat Tarkan Bagci für seinen Debütroman entwickelt.

Hat Annette wirklich den Dosenöffner erfunden und wie kam es dazu? Wird Timur mit seinem Artikel über Annette den Durchbruch schaffen?
Zu keiner Zeit langweilig, hat mich „Die Erfindung des Dosenöffners“ durchgehend bestens unterhalten. Als Timur beispielsweise über Modetrends und ihre Entstehung philosophiert, konnte ich gar nicht anders als ihm innerlich ein lautes, zustimmendes „Ja genau“ entgegenzuschleudern. Viele seiner Beobachtungen sind einfach nur komisch und gleichzeitig so scharfsinnig.
Für mich ist „Die Erfindung des Dosenöffners“ eine nette, lesenswerte, einfach schöne Geschichte mit origineller Grundidee, viel Humor und wichtiger Botschaft: „Jeder Mensch hat eine spannende Geschichte, wenn man sie ernst nimmt.“ Das mag harmlos und simpel klingen, ist aber bestimmt wahr. Es lohnt sich, sich mehr mit seinen Mitmenschen zu beschäftigen, sie haben viel zu erzählen. Bagci hat ein absolutes Wohlfühlbuch verfasst, das Lesevergnügen garantiert. Ein Roman für alle, die das Große im Kleinen und das Besondere im Alltäglichen sehen können oder wollen.