Individuelle Expropriation

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owenmeany Avatar

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Mein Bild von Tom Hillenbrand prägten bisher seine spannenden und von Ideen sprühenden Science Fiction-Romane "Hologrammatica" und "Drohnenland". Das machte mich neugierig auf seine Werke in einem anderen Genre. Ein Krimi wie zunächst angenommen ist das nicht, wie sollte es auch - kann man doch den groben Verlauf des Mona Lisa-Diebstahls in Wikipedia nachlesen.

Was Tom Hillenbrand daraus macht, ist etwas ganz Eigenes: episodenhaft aufgebaut lässt er unter Einbeziehung zeitgenössischer Künstler und anderweitig Prominenter die Belle Époque in Paris wiederauferstehen, meiner Ansicht nach sehr passend zum wimmeligen Titelbild. Die Abschnitte verknüpft er geschickt miteinander unter anderem mit Hilfe des adäquaten Leitmotivs "Bild" (Isadoras Tarotkarten, Schokoladenbildchen des Kommissars), und verflicht die unterschiedlichen Milieus durch eine ausgefeilte Komposition in Form von Parallelen, Kontrasten und Spiegelungen. Dabei ist allen Figuren eine gewisse Doppelbödigkeit gemeinsam.

Die sorgfältig recherchierten Fakten präsentiert er uns stilistisch nüchtern und knapp, ohne den Sprachduktus der beschriebenen Epoche nachzuahmen.

Bei aller Virtuosität des Autors muss ich aber einräumen, dass mich die Lektüre angestrengt hat. Die Zeitsprünge und zahllosen Einzelheiten, deren Bedeutung erst im nachhinein klar werden, erfordern eine immense Konzentration. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, wird Freude haben an diesem Buch.