Selbstbedienung im Louvre

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Tom Hillenbrand, den ich von seinen Luxemburger Krimis um Xavier Kieffer her kannte und mochte, hat ein neues Buch geschrieben. Es geht um den Diebstahl der Mona Lisa im Jahr 1911, es geht aber auch um das Leben in Künstlerkreisen in Paris um diese Zeit und um andere zeitgleich verübte Verbrechen.
Im August 1911 wird unter mysteriösen Umständen das Gemälde der Mona Lisa aus dem Pariser Museum Louvre gestohlen. Was ich nicht wusste, war, dass La Joconde vor ihrem Verschwinden gar nicht so bekannt war, wie sie es heute ist. Es war ein Bild von Leonardo da Vinci und hatte damit seinen Wert, aber da gab es viele, die höher gelobt wurden und einer größeren Öffentlichkeit bekannt waren. Ihr Verschwinden machte sie von heute auf morgen weltberühmt.

Die Polizei verhörte Hunderte Beschäftigte des Museums, denn sie glaubte, dass nur ein Dieb mit Fachwissen das Gemälde hatte stehlen können. Doch dann stellte sich heraus, die berühmte Mona Lisa war nicht wirklich bewacht und sie war nicht einmal gesondert gesichert, sondern einfach nur aufgehängt. Die sehr laschen Sicherheitsmaßnahmen im Louvre könnte man sich heute nicht mehr vorstellen. Da konnte ein- und ausgehen wer wollte und die Saaldiener oder Aufsichtskräfte verschliefen den Tag.

Selten ist es mir so schwergefallen, in ein Buch hineinzufinden. Bis zur Mitte hat mich das Lesen ermüdet und ich habe das Buch immer wieder zur Seite gelegt und anderen Lesestoff vorgezogen. Die Namen einiger beteiligter Personen, die alle mit „J“ begannen (Jules, Juhel, Jouin) habe ich zu Beginn dauernd verwechselt.
Dabei fand ich den Klappentext spannend und vielversprechend und hatte mich richtig auf das Buch gefreut. Das dazu passende Cover einer belebten Straßenszene mit viel Außengastronomie verstärkte diesen Eindruck noch. Ich hatte mir vorgestellt, in das Paris der Belle Epoque einzutauchen, den jungen, heute berühmten Malern wie Picasso und Matisse bei ihrer Arbeit zuzuschauen, Isadora Duncan in ihren Auftritten zu begleiten und dann mit allen zusammen in den Cafés in Paris zu sitzen und zu diskutieren. Immerhin war Paris damals Sehnsuchtsort für junge Künstler.
Aber das Flair kam nicht bei mir an.

Commissaire Juhel Lenoir soll den Diebstahl an der Mona Lisa aufklären. Wie so oft stehen sich erst einmal die verschiedenen ermittelnden Stellen selbst im Weg oder behindern gegenseitig ihre Arbeit. Nach einer großen Suchaktion, die zu keinem Ergebnis führt, wird die Arbeit schließlich eingestellt. Lediglich Juhel Lenoir bleibt an der Sache dran, aber auch ihn überrollen neue Fälle. Da sind die erstmals mit Hilfe eines schnellen Automobils ausgeführten Raubüberfälle einer Bande von Anarchisten. Gegen ein schnelles Auto kommt auch die Polizei nicht an, die entweder mit Rädern oder zu Pferd unterwegs ist. Diese Anarchisten versetzen ganz Paris in Angst und Schrecken, zumal ihre Überfälle immer mit mehreren Morden enden. Dennoch wird hierfür alles aufgeboten, was möglich ist: „Es gibt nichts, was einen lebenden Polizisten so sehr auf Trab bringt wie ein toter Polizist“ .

Die zeitgleichen Verbrechen laufen lange parallel, ohne eine Verbindung miteinander zu haben. Erst recht spät ergibt sich doch noch eine Verbindung, die aber ein wenig konstruiert wirkt. So viel Zufall ist fast schon nicht mehr möglich.

Dennoch versöhnt mich das Finale ein wenig mit dem Buch, vor allem der offene Schluss gefällt mir. Vielleicht sitzen wir ja alle seit mehr als 100 Jahren einer Verwechslung und einer genialen Fälschung auf.