Tamar Noort hat einen wundervollen Schreibstil

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stefanie.scheurich Avatar

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Die Protagonistin Elke ist studierte Theologin und soll das Pastorenamt ihres Vaters übernehmen. Doch Elke weiß nicht, was sie eigentlich will. Was nicht zuletzt mit einem schlimmen Schicksalsschlag aus der Vergangenheit zusammenhängt, der Elkes Leben in Stillstand geraten ließ.

Die Leseprobe war wirklich toll, der Titel ist absolut gelungen und auch das Cover hat mich sofort abgeholt. Voller Vorfreude begann ich also mit der Lektüre und musste mit steigender Seitenzahl leider feststellen, dass der Klappentext für mich persönlich nicht ganz das hielt, was er versprochen hat.
Erst im letzten Viertel ist Elke “in Bewegung” gekommen, hat sich, bedingt durch den Rauswurf von Jan, mit ihrer Vergangenheit und ihrem gegenwärtigen, sehr passiven Verhalten auseinander setzen müssen, und so beinhalteten die letzten Seiten das, was ich mir für das ganze Buch gewünscht hätte: Konfrontation und Kommunikation. Handlung und keine Stagnation.
Denn schreiben kann Tamar Noort! Und wie sie das kann!

Leider war mir Elke bis zum letzten drittel des Buches eher unsympathisch, was vermutlich mit ihrer erwähnten Untätigkeit zusammenhängt. Bis zu einem gewissen Grad konnte ich ihr Verhalten nachvollziehen (Trauer und traumatische Erlebnisse werden von jedem anders verarbeitet), aber vor allem im Mittelteil der Geschichte hat sie mich hin und wieder den Kopf schütteln lassen. Vor allem, weil sie nur ein mal den Mund hätte aufmachen müssen und sich jemandem anvertrauen. Das hat mich ein kleines bisschen frustriert.
Hätte Elke nach ihrer einsetzenden Gottdemenz direkt ihre Heilungsreise in der Heimat angetreten, wäre der Roman zwar 100 Seiten kürzer, aber für mich gewichtiger.
Denn der Schluss hat das Segel für mich nochmal herumgerissen! Elkes Reflexions- und Verarbeitungsprozess, das Wiedersehen mit Menschen aus ihrer Vergangenheit, der Umgang mit ihren Eltern, die vielen Metaphern und Interpretationsspielräume: Da hat das Lesen richtig Spaß gemacht. Am Ende konnte ich das Buch mit einem guten Gefühl zu klappen. :)

Insgesamt ein wunderschön geschriebener Roman, in dem für mich der Fokus bis nach dem Mittelteil etwas zu sehr auf Belanglosigkeiten lag, der am Ende aber seine gehaltvolle, erzählerische Schönheit entfaltete.