Tragikomische Sinnfindung

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frischelandluft Avatar

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Was für ein toller Anfang! Mitten im Karneval, der Feier des Lebens über den Tod, in Köln, dem Epizentrum des Karnevals, klinkt sich die Protagonistin aus, um im Altersheim /Hospiz Sterbende seelsorgerisch zu begleiten und „vergisst Gott“. Sie kann Gedichte rezitieren, erinnert sich an alles – nur, wenn es um Gott und die Bibel geht, hat sie „Gottdemenz“, ihr fehlen die Worte, ein sprachliches Blackout. Das ist absurd und komisch und für sie als Theologin existentiell und dramatisch. So geht es im Roman weiter, das Komische wechselt mit dem Dramatischen. Frei nach Forest Gump, „Life is a box of chocolate, you never know what you get“, kann man nicht wählen, wo man Spiritualität und Glauben findet, unter anderem in einem Motodrom. Beim Beten mit einer Sterbenden wird sie damit geschlagen, dass sie Gott verloren hat (nicht, dass Gott sie verlassen hat) und beginnt ihre Suche. Nach der eigenen Bestimmung, einem Sinn, nach Antworten. Ihren Weg kann man auch als Atheist bzw Nicht-Christ mitempfinden, denn es geht um übergeordnete Themen, Leben und Tod, Verlust, Glauben und Vertrauen, Treue und Verrat, Liebe, Nähe und Distanz. Auf ihrer Suche kann sie keinem etwas vormachen, alle scheinen sie zu kennen, nur sie sich selbst nicht. Sie muss ihre Stimme, ihre Sprache wieder finden, eine weise, alte Frau sagt ihr, „Buchstaben … sind Teil einer … Schöpfungsmaschine. […] Sprache ordnet, indem sie etwas benennt. Und damit etwas in die Welt bringt, das vielleicht vorher nicht da war.“ Im Anfang war das Wort, ob bei Gott oder bei uns, bleibt beim Leser. Der Roman liest sich gut, sprachlich und inhaltlich flüssig. Mir gefällt, dass die ernste Thematik mit viel Humor durchsetzt ist. Das Ende finde ich ein bisschen schwach, aber sonst durchaus lesenswert.