Dokumentarischer Roman

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leseclau Avatar

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In ihrem Nachwort beschreibt Merle Kröger ihr Buch als einen „dokumentarischen Roman“ und „… einen schmalen Grat zwischen dokumentarischen Essay und literarischen Roman, zwischen historischer Untersuchung und politischem Thriller“. Besser kann man dieses Buch nicht beschreiben. Leider führen einen der Klappentext und die Bezeichnung „Thriller“ im Vorfeld des Lesens komplett in die Irre.
Im Buch werden die 60er Jahre lebendig. Beginnender Wohlstand, beginnende Aufarbeitung des Kriegsgeschehens und neue Konflikte sind an der Tagesordnung. Am Beispiel der Familie der jungen Rita Hellberg wird diese Zeit aus einem besonderen Blickwinkel beschrieben. Ritas Vater ist so genannter „Experte“, der in Ägypten für die Rüstungsindustrie arbeitet. Auch Rita fängt an, in diesem Umfeld als Sekretärin zu arbeiten und aus vielen Gesprächsfetzen, Zeitungsausschnitten, Radiosendungen reimt sie sich zusammen, was um sie herum politisch und wirtschaftlich geschieht. Als Leser begleitet man diesen Prozess direkt, liest alle Zeitungsausschnitte mit, „hört“ die Radiosendungen und muss sich sehr konzentrieren, die Zusammenhänge zu verstehen. Mir hätte das Nachwort zu Beginn des Romans bei der Einordnung der Geschehnisse geholfen.

Das Buch ist sehr dicht geschrieben. Als Leser betrachtet man ein Fotoalbum. Jedes Kapitel beginnt mit der Beschreibung des Fotos und der Situation dazu. Nahtlos erfolgt der Übergang an andere Zeiten und Orte. Dies ist am Anfang gewöhnungsbedürftig, aber nach und nach kam ich sehr gut mit dem Schreibstil klar.

Insgesamt ist das Buch unglaublich akribisch recherchiert. Für mich ist es ein bisschen zu sehr Dokumentation und zu wenig Roman. Da hatte ich eine deutlich andere Erwartungshaltung. Im Nachhinein war es aber sehr spannend, über dieses Stück Geschichte ein Buch zu lesen.