Einzigartig

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katercarlo Avatar

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Ein einzigartiges Buch – in mehrerer Hinsicht. Als erstes fällt der Stil des Buches auf, der durch die Geschichte, wie durch Fotoalben blättert. Zu Beginn jedes Kapitels werden ein oder zwei Bilder beschrieben, lassen so auf das vermuten was kommt und machen neugierig. Ich finde das eine sehr schöne Charakteristik des Buches, die auch hervorragend zum Genre passt.
Ein Genre, das meiner Meinung nach nicht „Thriller“ ist, wie es das Cover verkündet, sondern ein historischer Roman der jüngeren Zeit. So spielt die Geschichte in den 60er Jahren vorwiegend in Ägypten. Das ist für mich eine weitere Besonderheit des Buches. So modern das 20. Jahrhundert und Familiensagen in der Literatur aktuell sind, bisher habe ich noch kein anderes Buch in die Hand bekommen, das sich mit dem Nahen Osten nach dem zweiten Weltkrieg und der Rolle deutscher Wissenschaftler und Ingenieure dort auseinander gesetzt hat. Auf eine, auch wieder sehr einzigartige Art und Weise verwebt die Autorin die Geschichte und Ambitionen Ägyptens dieser Zeit, mit der Nachkriegspolitik Westdeutschlands, der Position Israels in der Welt, dem Schicksal der deutschen Flugzeug- und Raketeningenieure im Ausland und dem Leben der Familie Hellberg.
Dafür bedient sich die Autorin neben klassischen Schilderungen und den Fotobeschreibungen auch Zeitungsausschnitten, Briefen und Aktenauszügen. Sie springt durch Raum, Zeit und Darstellungsart ohne die Leser groß vorzuwarnen. Das macht es erst einmal schwierig zu folgen, hat man sich aber einmal daran gewöhnt, ist es ein sehr abwechslungsreicher Stil, der die Möglichkeit gibt einen umfassenderen Kontext herzustellen. So wird vor allem auch das Schicksal vieler ehemaliger NS-Angehöriger nach dem Ende des Nationalsozialismus aufgearbeitet.
Gleichzeitig verlieren sich die Individuen in dieser umfassenden Schilderung der Zeitgeschichte nicht. Vor allem das Leben der Familie Hellberg – die sich aus sehr konträren Köpfen zusammensetzt – geht nicht unter, sondern bildet die nahbare Konstante der Erzählung. Auch hier ist das Buch einzigartig – in seiner knappen, aber nicht lieblosen Art die Beziehungen und Dialoge zwischen den Figuren zu schildern.
So wird das Buch zu einer wilden Mischung, die immer wieder neue Wendungen und Blickwinkel zeigt und mir von einem Stück Weltgeschichte erzählt, das ich bis dato nicht kannte. Damit schafft das Buch es vielleicht die rund 670 Seiten zu rechtfertigen, die neben der irreführenden Aufschrift „Thriller“ das größte Manko des Buches sind. Und nachdem dicke Bücher und als Spannungsromane getarnte Familiensagen des 20. Jahrhunderts gerade absolut im Trend liegen, sind diese beiden Kritikpunkte, auch die einzigen Aspekte des Buches, die ich nicht als einzigartig benennen kann.