Geschickte Verknüpfung von Historie und Biographie

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Ein historischer Roman über den politischen und wirtschaftlichen Aufschwung der 60er Jahre in Ägypten und die Beteiligung von deutschen Experten an Flugzeug- und Raketentechnik.

Familie Hellberg gehört zu den deutschen Familien, die 1961 nach Ägypten ziehen um Präsident Nasser beim Aufbau seiner Rüstungsindustrie zu helfen. Während der Vater ganz in seiner Rolle als Experte aufgeht hat die Mutter große Schwierigkeiten, sich an das neue Leben zu gewöhnen. Geplagt von Depressionen und einem krankhaften Putzwahn entgleitet ihr die Kontrolle über die Familie und sich selber.
Der älteste Sohn Kai bleibt in Deutschland, er hadert mit der Vergangenheit seines Vaters und schlägt politisch und menschlich völlig andere Wege ein.
Tochter Rita, immer ein wenig rebellisch und aufmüpfig, genießt zunächst das Leben in der fremden Umgebung. Doch mit der Zeit erfährt sie immer mehr über die politischen Hintergründe Ägyptens, wird konfrontiert mit unterschiedlichen weltpolitischen Interessen, Bespitzelungen und Bombenattentaten.
Die jüngste Tochter Petra ist beim Umzug nach Kairo noch ein Kind, versucht sich anzupassen und irgendwie die Familie zusammen zu halten.

Hauptsächlich erzählt wird diese komplexe und sehr gut recherchierte Geschichte aus der Sicht von Rita Hellberg. Ihre Erlebnisse in den Jahren 1961 - 1971 geben nicht nur die politischen Hintergründe zur Nazi-Verfolgung, der Beziehung zwischen Israel, Ägypten und Deutschland wieder, sondern zeigen auch die Veränderungen eines jungen Menschen vom unbeschwerten Teenager zu einer Frau, die mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert wird und Stellung beziehen muss. Ihre Erlebnisse gehen hauptsächlich auf die Vergangenheit der Familie von Stefanie Schulte Strathaus zurück, wie man am Ende des Buches im Nachwort erfährt.

Interessant die Aufteilung des Buches in drei Fotoalben, jedes Kapitel startet mit der Beschreibung eines Fotos, dessen Zustandekommen sich im Laufe des Kapitels erklärt.
Ungewöhnlich der Schreibstil, Merle Kröger beschreibt parallel Erlebtes, zum Beispiel von Kai in Hamburg und von Rita in Kairo, im gleichen Kapitel ohne Absatz hintereinander. Das Bedarf einer vollen Konzentration beim Lesen, ist aber auch immer wieder abwechslungsreich und vielschichtig.

Merle Kröger hat in ihrem Buch sehr geschickt die Historie mit einer Familiengeschichte verbunden. Die weltpolitischen Fakten lesen sich dabei genau so spannend wie die menschlichen Aspekte der einzelnen Familienmitglieder der Familie Hellberg.
Ein umfassendes und sehr empfehlenswertes Buch, das meiner Meinung nach jedoch zu Unrecht den Namen eines Thrillers trägt. Das kann falsche Erwartungen wecken, die diese tolle Geschichte gar nicht nötig hat.