Wichtiges Stück Zeitgeschichte

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In ihrem Buch „Die Experten“ bringt Merle Kröger dem/der Leser*in ein wichtiges Stück Zeitgeschichte nahe, welches meiner Meinung nach nicht viel Beachtung findet. Ich schreibe bewusst „Buch“, da das Buch zwar als Thriller bezeichnet wird, ich es jedoch eher als dokumentarischen Roman sehe, da mir die klassischen Elemente eines Thrillers fehlen.
Zuerst jedoch zur Handlung: Nach ihrem Schulverweis reist Rita Hellberg nach Kairo, um dort ihre Familie zu besuchen. Der Vater, Friedrich Hellberg, arbeitet dort in der Flugzeugforschung, er ist Teil eines Teams deutscher Wissenschaftler, die, nach dem Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger mit einem Berufsverbot belegt, in Ägypten ihre Forschungstätigkeit wiederaufnehmen können. Es ist das Ägypten der 60er-Jahre unter Präsident Nasser, geprägt von dem Streben nach Unabhängigkeit vom Westen („from the needle to the rocket“). Man bekommt Einblicke in die deutsche Expat-Gemeinde in Kairo, zu der auch einige Kriegsverbrecher und Geheimdienstagenten gehören, und erfährt sehr viel über die geschichtlichen Begebenheiten dieser Zeit. Rita, zuerst noch kindlich-naiv und unwissend, entwickelt sich im Laufe des Buches zu einer kritischen Beobachterin der Ereignisse und findet letztendlich ihren eigenen Weg, genauso wie auch ihre Geschwister und zum Teil auch ihre Eltern, die sich aus den veralteten familiären Strukturen lösen.
Im Hinblick auf die historischen Ereignisse dieser Zeit ist das Buch sehr interessant und spannend. Neben der Geschichte um die „Experten“ werden auch noch andere Begebenheiten der 60er-Jahre erwähnt, so zum Beispiel das damalige Frauen-/Familienbild oder die Studentenunruhen als Revolte gegen die verstaubten Strukturen der Vergangenheit. Interessant finde ich auch den Aufbau des Romans mit den Beschreibungen der Fotografien am Anfang eines Kapitels. Man hat dadurch immer schon ein Bild im Kopf und kann sich das Geschehene besser vorstellen. Auch das Nachwort ist sehr lesenswert und beschreibt die wahre Geschichte, die sich hinter der Fiktion verbirgt.
Was für mich das Lesen jedoch sehr mühsam gemacht hat, waren die Zeit- und Personensprünge innerhalb der Kapitel. So musste ich manchmal den Text mehrmals lesen, was den Lesefluss enorm gestört hat. Mühsam fand ich auch die immer wieder integrierten originalen Zeitdokumente (Geheimdienstberichte, Zeitungsartikel), da diese durch die unterschiedlichen Stilrichtungen nicht immer einfach zu lesen waren, so dass ich gegen Ende des Buches den Text eher überflogen habe.
Alles in allem fand ich „Die Experten“ von der Thematik her wahnsinnig interessant und die Autorin hat mit ihrer Recherche zu dem Thema großartige Arbeit geleistet, der Schreibstil, der eher dokumentarisch ist, hat das Lesen für mich jedoch sehr mühsam gemacht und mir das Buch am Ende zu lang erscheinen lassen.