Die Zeit ist ein Quacksalber.

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miro76 Avatar

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„Dinge, die es nicht gibt in meiner Welt: Kastanien, die plötzlich vom Baum fallen. Kinder, die mit den Füßen durch Herbstlaub rascheln. Kostümierte Menschen in Straßenbahnen. Schicksalshafte Zufallsbegegnungen. Kleine Frauen, die von ihren großen Hunden durch die Gegend gezogen werden, als führen sie Wasserski.“ (S. 28)

Linda Conrads ist an ihr Haus gebunden. Sie ist nicht in der Lage auch nur einen Schritt auf die Terrasse zu machen. Sie ist schwer traumatisiert, seit sie vor elf Jahren ihre Schwester ermordet in deren Wohnung aufgefunden hatte.
Aber sie führt kein schlechtes Leben. Sie genießt ihre wunderschöne Aussicht, aus ihrem hellen Haus. Linda ist wohlhabend. Sie verdient ihr Geld mit Schreiben. Diszipliniert veröffentlicht sie jährlich einen Roman, der bei Kritikern und Lesern meistens gut ankommt.

Ihr Leben plätschert in ruhigen Bahnen.
Bis sie eines Tages im Fernsehen ein Gesicht sieht. Ein Gesicht, das sie in ihre Träume verfolgte. Ein Gesicht, das sie niemals vergessen könnte. Das Gesicht des Mannes, den sie in der Nacht des Mordes aus der Wohnung ihrer Schwester hat fliehen sehen.

„So lange habe ich es geschafft, ruhig vor mich hin zu leben und jeden Gedanken an meine Schwester zu unterdrücken. Aber jetzt ist alles wieder da. Und so lange es auch her sein mag – die Wunde hat sich nicht geschlossen. Die Zeit ist ein Quacksalber.“ (S. 14)

Linda Conrads sieht sich gezwungen etwas zu unternehmen. Die Frage nach dem Warum muss endlich geklärt werden und der Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Also entwickelt Linda einen Plan, um den Mann in ihr Haus zu locken und ihm ein Geständnis abzuringen.

Melanie Raabe hat hier einen äußerst fesselnden Roman vorgelegt. Der Spannungsbogen zieht sich von der ersten bis zur letzten Seite und lässt uns kaum zu Atem kommen. Linda unternimmt eine Menge, um ihr Ziel zu erreichen. Sie schreibt ein Buch über den Mord an ihrer Schwester. So erzählt uns Melanie Raabe die Vorgeschichte nicht in Rückblenden, sondern als Buch im Buch. Das ist ein genialer Schachzug, denn beide Handlungsstränge sind ereignisreich und lassen uns oft ratlos zurück, wenn ein Kapitel beendet ist.
Außerdem stellt sich uns Lesern ständig die Frage, wie neurotisch Linda wirklich ist und wie sehr man ihrem Gedächtnis trauen kann. Vielleicht spielt es ihr ja einen Streich?

„Die Falle“ bekommt von mir volle fünf Sterne, denn dieses Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Es ist abwechslungsreich, durch verschiedene Erzählstile und durch den zweiten Handlungsstrang – das Buch im Buch.
Ich konnte dieses Buch kaum aus der Hand legen!