Ein Krimi, der keiner sein will

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mariehal Avatar

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Susanne Tägders neuer Roman spielt in einer Zeit, die man selten so atmosphärisch dicht beschrieben findet: die frühen 1990er-Jahre in der ostdeutschen Provinz. Sprachlich überzeugt das Buch auf ganzer Linie – die Autorin versteht es, mit wenigen Worten ein ganzes Milieu lebendig werden zu lassen. Man spürt förmlich den grauen Winter, die Unsicherheit der Wendejahre und den gesellschaftlichen Umbruch, der in jeder Figur nachhallt.

Allerdings ist der Kriminalfall um den ermordeten Jungen Matti Beck weniger das Herzstück der Geschichte, als es der Klappentext vermuten lässt. Die Ermittlungen wirken oft wie eine Bühne, auf der sich vielmehr das Lebensgefühl der Nachwendezeit abspielt. Das ist durchaus interessant, lässt den eigentlichen Krimi aber zur Hintergrundkulisse werden. Die Auflösung ist stimmig und handwerklich sauber, bleibt aber ohne größere emotionale oder thematische Tiefe – eher solide als packend.

Die Nebenfigur Ina und ihre Geschichte hätten für mich nicht unbedingt sein müssen. Zwar versucht sie, einen Kontrapunkt zur Ermittlungsarbeit zu setzen, doch ihr Handlungsstrang wirkt losgelöst und nimmt der Haupthandlung mitunter an Spannung.

Was bleibt, ist ein sprachlich starker, atmosphärisch dichter Roman, der seine Stärke eindeutig im Zeitkolorit hat – nicht im Krimiplot. Ohne den Kriminalfall, der stellenweise wie ein Pflichtgerüst wirkt, hätte die Geschichte vielleicht sogar noch intensiver gewirkt.

Ein gutes Buch über das Leben im Osten kurz nach der Wende – aber nur ein durchschnittlicher Krimi.