Die andere Stenotypistin

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Rose Baker arbeitet als Stenotypistin im New York City Police Department. Sie ist alleinstehend und etwa Mitte 20. Sie lebt ein ruhiges, sittsames Leben. Der Beschreibung ihrer Person ist zu entnehmen, dass sie ihrem Namen nicht gerecht wird. Sie gleicht eher einem Mauerblümchen und hält sich im Hintergrund, will nicht auffallen.
Rose lebt in einer Zeit, in der es zwar üblich ist, dass Frauen arbeiten. Das aber eher im Hintergrund. Hohe Ämter bekleiden Männer. Ihre Erscheinung passt also hervorragend in das Bild einer arbeitstätigen Frau.
Details zu Vergewaltigungen, Diebstählen und Todesdelikten bringen sie nicht aus der Ruhe. Geständnisse zu tippen ist ihre Aufgabe.

Dann kurbelt aber der Volstead Act das Geschäft an und der Polizeichef sieht sich gezwungen, eine weitere Stenotypistin einzustellen - die augenscheinlich wohlhabende und glamouröse Odalie. Rose ist von ihrer Erscheinung fasziniert, um nicht zu sagen besessen, besessen von dem Gedanken, sich mit Odalie anzufreunden und kann es nicht ertragen, dass Odalie ihr andere Frauen vorzieht. Ihr Bestreben wird belohnt und Odalie entführt sie in eine ihr unbekannte Welt von Dekadenz und Nachtclubs.

Ein interessanter Ausgangspunkt für eine spannende Geschichte.
Das Buch ist klar strukturiert, die Ereignisse weitestgehend chronologisch. Die Sprache scheint aus heutiger Sicht sehr gestellt. Für die Zeit, in der das Buch spielt, finde ich sie angemessen und tut dem Lesegenus s keinen Abbruch. Insgesamt ist die Geschichte recht kurzweilig und interessant.

Auch wenn Ort und Zeit kaum unterschiedlicher sein können, hat mich die Geschichte stark an Tödliche Intrige von Arnaldur Indridason erinnert. Die Art und Weise, wie Rose Odalie „verfällt“, die Stimmung, die durch den Schreibstil entsteht, ähnelten (in meinen Augen) doch sehr diesem Buch. Diese Stimmung lässt darauf schließen, dass Rose auf eine Tragödie zusteuert. Immer wieder werden Andeutungen gemacht und Hinweise gegeben, die den Leser aufhorchen lassen. Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt, worauf Rose zusteuert. Die Spannung wird aber bis zum Schluss aufrecht erhalten.
Allerdings habe ich mich während des Lesens immer wieder gefragt, ob Rose die Person ist, die sie beteuert zu sein. Ist sie die Gute? Die Einblicke in ihre Vergangenheit lassen dabei Zweifel aufkommen. Roses Richtigstellungen und Erläuterungen hinterlassen dennoch einen schalen Beigeschmack. Sind das nur Verschwörungstheorien? Insoweit lässt das Buch Raum für Spekulation.

Das Thema ist wirklich nicht neu, aber es ist allemal interessant zu sehen, was Autoren daraus machen.