Die Frau an der Schreibmaschine

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Eine Frau sucht sich die falschen Freunde aus, das Thema ist nicht neu. Sie ist Stenotypistin auf einem Polizeirevier im Jahr 1924 – im Gegensatz zu den meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen muss sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und steht ziemlich alleine da, ohne Familie und Freundeskreis. Dann kommt eine faszinierende neue Kollegin ins Spiel, die über unendliche finanzielle Mittel zu verfügen scheint und sich ihre Freundschaft erschleicht, was böse endet. Das Ganze ist gut und flüssig geschrieben, man sieht die Story wie im Film ablaufen und hört regelrecht die sanfte Stimme der Ich-Erzählerin aus dem Off. Dabei ist diese Erzählerin sehr gut dargestellt und leicht zu durchschauen, wie sie von der kleinen Heiligen mit den hohen Ansprüchen zur kleinen Gaunerin mutiert und sich von Glanz und Glamour einfangen lässt, denn mit ein bisschen Luxus ist dieser kleine Moralapostel dann ganz schnell „bekehrt“. Diese Charakterstudie ist mit ihrem Wandel zwischen Schwarz und Weiß (oder besser gesagt umgekehrt) sehr schön herausgearbeitet. Doch das ganze Buch fängt schon nach kurzer Zeit an, sich ziemlich zu ziehen. Das erste Drittel ist mit der Beschreibung des Lebens der Protagonistin und mit dem Beginn der Freundschaft der beiden Frauen ausgefüllt. Es passieren eigentlich nur Kleinigkeiten und der Leser fragt sich, wann es denn eigentlich losgeht. Irgendwie geht der Anfang fast bis in die Mitte. Das Ganze nimmt erst sehr spät Fahrt auf und der Leser braucht schon ein gewisses Durchhaltevermögen. Die Autorin ist mehr damit beschäftigt, Ereignisse anzukündigen als damit, sie auch stattfinden zu lassen. Die Handlung fließt insgesamt eher ein bisschen träge dahin. Das Ende ist dann durchaus vorhersehbar und es gibt auch nicht den großen Knaller zum Schluss. Die Euphorie des Klappentextes kann ich nicht teilen, das Buch ist ganz nett gemacht, kann aber „Gone Girl“ nicht halbwegs das Wasser reichen.