Unterschwellige Spannung

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kindder80er Avatar

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New York in den 1920er Jahren war ein hartes Pflaster. Der 1. Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen, die Prohibition ist in vollem Gange und das Leben als Frau gestaltet sich noch recht schwierig. Rose Baker arbeitet als Schreibkraft auf einem Polizeirevier und muss all die Geständnisse abtippen, die teilweise grausamste Details enthalten. Das macht ihr aber augenscheinlich nicht viel aus und obwohl sie schon so viel Brutales gehört hat, ist sie der innerlichen Verrohung noch nicht anheim gefallen.

Das Buch ist in der Ich-Form aus Sicht von Rose geschrieben und zeichnet sich durch einen angenehm gehobenen Sprachstil aus. Das ist überhaupt nicht anstrengend zu lesen, sondern eher wohlklingend in den inneren Ohren.

Nachdem die "andere" Schreibkraft Odalie aufgetaucht ist, kommt unterschwellige Spannung auf. Die ungeheure Präsenz, die Rose beschreibt, kann man regelrecht fühlen. Man weiß, irgend etwas wird passieren und man will unbedingt wissen, was...

Die beiden freunden sich an und es kommt zu einer leicht ungesunden Abhängigkeit. Rose kommt vom Glanz von Odalie nicht los und will es eigentlich auch gar nicht. Durch Odalie besucht sie Flüsterkneipen, wird mit moderner Kleidung ausgestattet und schwelgt in einem Hauch von Luxus. Dass sie dafür in irgendeiner Weise "bezahlen" muss, ist ihr klar, aber ob dieser Preis das wirklich wert ist?

Relativ unaufgeregt wird die Geschichte zweier Frauen erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Spannung ist eher unterschwellig und kommt erst im letzten Viertel richtig auf Touren. Das Ende ist überraschend verwirrend, macht das Buch aber insgesamt rund. Ich habe es sehr, sehr gerne gelesen!