Eine politische Vorreiterin

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Die Bonner Republik im Jahr 1978: Catharina Cornelius hat es als liberale Politikerin nicht leicht unter Männern. Doch als ihr Parteikollege Helmut Busch über eine Affäre stolpert, schlägt ihre Stunde. Sie übernimmt sein Amt und wird somit erste deutsche Außenministerin und Vizekanzlerin. Behaupten gegen Widerstände muss sie sich allerdings weiterhin…

„Die Frau der Stunde“ ist der literarische Debütroman von Heike Specht.

Der Roman besteht aus drei Teilen, die sich wiederum in insgesamt 22 Kapitel gliedern. Die Handlung umspannt die Monate von Oktober 1978 bis März 1979. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge und vorwiegend, aber nicht nur aus der Sicht von Catharina.

Im Vordergrund stehen Catharina und ihre beiden besten Freundinnen. Die Frauenfiguren sind realitätsnah und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Darüber hinaus gibt es etliche Personen, die sich politisch engagieren oder ansonsten im Politbetrieb arbeiten. Einige der Charaktere ähneln historischen Persönlichkeiten, zum Beispiel Helmut Kohl. Dennoch ist die Geschichte nicht als Schlüsselroman zu verstehen.

Auf der inhaltlichen Ebene handelt es sich vor allem um ein Gedankenexperiment. Wie hätte sich die bundesdeutsche Politik entwickelt, wenn schon früher eine Frau in höchste Ämter gelangt wäre? Beleuchtet wird der Bonner Politbetrieb. Dabei deckt die Geschichte Sexismus, diskriminierende und misogyne Strukturen auf. Auch Machtintrigen, politische Ränkespiele und andere bedenkliche Phänomene werden aufgezeigt. Dadurch liefert die Geschichte Einblicke, Denkimpulse und Stoff zum Diskutieren.

Dem Roman ist immer wieder die profunde Sachkenntnis der Autorin anzumerken, was historische Ereignisse und Personen angeht. Zudem ist die Geschichte mit viel Zeitkolorit ausgestattet.

Auf den rund 350 Seiten ist der Roman kurzweilig und unterhaltsam. Die Handlung verfügt bisweilen über überraschende Momente, bleibt jedoch glaubwürdig. Gleichzeitig kommt die Geschichte ohne übermäßige Dramatik aus.

Auch in sprachlicher Hinsicht hat mich der Text überzeugt. Die Beschreibungen sind anschaulich, die Dialoge authentisch.

Das farbkräftige, reduzierte Covermotiv passt gut zum Inhalt. Auch der Titel ist sinnvoll formuliert.

Mein Fazit:
Mit „Die Frau der Stunde“ beweist Heike Specht, dass sie nicht nur im Sachbuch-Genre gut aufgehoben ist. Ihr erster Roman hat einen hohen Unterhaltungswert und ist zugleich aufschlussreich. Definitiv empfehlenswert!