Fiktive Frauen an der Macht zur Zeiten der Bonner Republik

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merleredbird Avatar

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Vielen Dank an Vorablesen und den Droemer Knaur Verlag, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Meine Meinung ist davon jedoch unabhängig.

Von der Autorin hatte ich schon länger das Sachbuch „Die Ersten ihrer Art“ auf der Leseliste. In ihrem neuen Roman „Die Frau der Stunde“ wagt Heike Specht sich an das Thema Frauen in leitenden politischen Ämtern heran. Was wäre, wenn Ende der 1970er Jahre eine Frau Außenministerin der BRD geworden wäre? Fakt ist, dass Frauen immer noch in der Politik unterrepräsentiert sind. Deutschland hatte von 2005 bis 2021 eine Bundeskanzlerin, von 2021 bis 2025 gab es die erste Außenministerin, auf eine Bundespräsidentin lässt sich für die Wahl 2027 vielleicht hoffen…

So arbeitet also die Autorin ein fiktives Thema auf, welches hoch aktuell bleibt. Sie nimmt die realen Politikstrukturen und bettet dort von ihr kreierte Politiker*innen und Personen ein. Bei manchen lassen sich reale Vorbilder besser erahnen als andere, aber es bleibt immer genug Interpretationsspielraum, da z.B. auch Parteinamen nie konkret genannt werden – stattdessen gibt es Liberale, Konservative und Sozialdemokraten.

In dem Buch begleiten wir also die erste Außenministerin der BRD, Catharina, und ihre Realität als Frau in der nationalen und internationalen Politik. Gleichzeitig spielen noch ihre beiden Freudinnen Suzanne (eine Journalistin) und Azadeh (eine Dokumentarfilmerin) eine große Rolle, durch die auch das Thema Iran und vor allem die dortigen Frauenrechte Teil der Handlung werden.

Ich bin ehrlich: es hat schon sehr lange gedauert, bis mich das Buch wirklich gepackt hat und ich weiterlesen wollte. Dadurch, dass alle Charaktere erfunden waren, habe ich im Politikwusel irgendwann den Durchblick verloren und konnte dem Teil der Handlung schwer folgen. Es ist wirklich schon sehr politisch – und das sage ich als Person, die ein Studiengang mit Politikschwerpunkt studiert hat und sich besonders mit Frauen in der Politik beschäftigt hat.

Ich persönlich hatte mir erhofft, mehr über Catharina als Person zu erfahren, ihr Alltag im Amt, ihre Wahrnehmung und ihre inneren Konflikte – stattdessen ging es um die Konflikte innerhalb der deutschen Politik und der Außenbeziehungen. Das übergeordnete Ziel des Buches war mir nicht so klar, und so hat mir auch Spannung gefehlt. Für mich muss ein Buch entweder eine spannende Handlung haben, der ich folgen will, oder eine Charakterentwicklung muss im Vordergrund stehen (plot vs. character driven) – und hier war beides nicht klar fokussiert.

Was ich aber gut fand, war die Darstellung der Realität von Frauen in der Politik zur Zeit der Bonner Republik. Es ist sehr treffend dargestellt, wenn Catharina als „Frau Minister“ angeredet wird, oder sie öffentliche (sexistische) Anfeindungen im Parlament erlebt. Wer sich für genau diese Realität interessiert, dem empfehle ich an dieser Stelle das Buch „In der Männer-Republik“ von Torsten Körner, sowie den dazugehörigen Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“, da wird das Thema sehr eindrücklich behandelt.

Auch gut finde ich, wie Cover und Titel zum Inhalt des Buches passen – über Catharina wird ein Artikel geschrieben, der eben jenen Titel „Die Frau der Stunde“ trägt, und das dazu beschriebene Foto zeigt sie in der Pose, die auch die Frau vom Cover einnimmt.

Insgesamt hatte dieses Buch ein super spannendes Konzept und einige gute Szenen, aber insgesamt bin ich etwas unbefriedigt. Die ganze Zeit wartet man auf einen Knall in der Handlung, irgendwas das raussticht, aber die Geschichte erzählt sich eher etwas nebenher und legt den Fokus eindeutig auf Politik und internationale Beziehungen, statt auf die Protagonistin und ihre Sicht.

Außerdem hätte ich gerne noch ein Vor- bzw. Nachwort der Autorin gehabt, welches die Geschichte kontextualisiert und indem Heike Specht uns an ihren Gedanken teilhaben lässt, warum sie den Fokus der Geschichte so gelegt hat, wie er nun ist.

Insgesamt komme ich auf 3 Sterne bei dem Buch und hoffe, dass mich das Sachbuch der Autorin mehr überzeugen kann als ihr Roman.