Klug, detailreich, feministisch

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Heike Specht entwirft mit Die Frau der Stunde eine alternative Historie der späten 1970er Jahre – eine, in der Frauen schon früher an den Hebeln der Macht rütteln.

Im Mittelpunkt steht Catharina Cornelius, eine fiktive SPD-Politikerin, die durch einen politischen Skandal plötzlich zur Außenministerin und Vizekanzlerin aufsteigt. Ihr Aufstieg ist weniger Triumph als Feuerprobe: In der Bonner Republik, die noch von Zigarrenrauch, Männerbünden und parteipolitischen Ränkespielen dominiert wird, muss sie sich behaupten – gegen Misstrauen, offene Feindseligkeit und die subtile Herablassung ihrer männlichen Kollegen.

Specht nutzt diesen alternativen Ausgangspunkt, um die Frage zu stellen: Was wäre gewesen, wenn in Deutschland schon Ende der 1970er eine Frau politische Macht erlangt hätte? Die Antwort darauf fällt erfreulich unromantisch aus. Die Frau der Stunde ist kein feministisches Wunschdenken, sondern ein kluger, realistisch geerdeter Roman, der zeigt, wie mühsam und brüchig weibliche Macht damals war.

Kritisch anmerken lässt sich, dass der Roman stellenweise überbordet: Die Vielzahl der Figuren und die detailverliebten Milieuschilderungen bremsen den Lesefluss zuweilen aus. Auch das abrupt wirkende Ende, das viele Erzählstränge offenlässt.