Politiker brauchen ein dickes Fell, Politikerinnen brauchen einen Panzer

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Es ist das Jahr 1978 in einer alternativen, fiktiven Vergangenheit. Eine sozial-liberale Koalition ist an der Macht und versprüht Fortschrittsenthusiasmus. Als der liberale Außenmister und Vizekanzler über eine Affäre mit einer jüngeren Frau stolpert, die er zudem noch in seinem Büro auf Steuerkosten angestellt hat, wird überraschend die junge, versierte, liberale Außenpolitikerin Catharina Cornelius seine Nachfolgerin. Und so begleitet der Roman in informativer, wie amüsanter bis erschreckender Weise, was es für eine Frau bedeutet hätte im Milieu der späten 1970er in eine der herausragendsten politischen Führungspositionen des Landes zu kommen.

Konflikte und Machtkämpfe begleiten Catharina Cornelius nicht nur zwischen den konkurrierenden Parteien sondern nicht zuletzt auch in den eigenen Reihen. Überall sieht sie sich einer Dominanz von Männern und einer frauenfeindlichen bis offen ablehnenden Kultur ausgesetzt. Einige Szenen, wie etwa sexistische und beleidigende Zwischenrufe im Bundestag bei einer Rede der Außenministerin, scheinen fast unwirklich, und doch war ein solcher Umgang mit Frauen lange keine Seltenheit oder Ausnahme, wenn man alte Aufnahmen von Bundestagsdebatten aus dieser Zeit betrachtet. Die im Roman fiktionalisierten Schilderungen haben in ihrer Grundrichtung daher durchaus reale Vorbilder und spiegeln die Lebenswelt weiblicher Politikerinnen authentisch wider.

Realistisch ist vermutlich auch der soziale Hintergrund der Protagonistin. Als Tochter aus einem privilegierten Elternhaus mit besten Bildungsmöglichkeiten wird deutlich, wie sehr der unwahrscheinliche Erfolg als Frau in dieser Position, erst ermöglicht wird durch die relative Privilegierung auf sozioökonomischer Ebene.

Über einen klug arrangierten Plot gelingt es der Autorin über Cornelius hinaus die Situation von ambitionierten Frauen aus verschiedenen Generationen und Ländern zu beleuchten. Catharinas Freundin Azadeh ist Iranerin und über ihren Erzählstrang wird die Revolution im Iran beleuchtet. Die Dritte im Freundinnentrio seit Schweizer Internatstagen ist Suzanne, erfolgreiche Journalistin aus Belgien. Im politischen Betrieb wird deutlich wie wichtig weibliche Solidarität und Unterstützung ist, sei es für Catharina selbst durch ihre mütterliche Freundin, Mentorin und Parteikollegin, als auch parteiübergreifend unter den wenigen Frauen, die sich unabhängig vom Parteibuch mit einer sexistischen Machokultur herumschlagen müssen.

Beim Lesen fragt man sich allzu oft fassungslos, wie so mit Frauen umgegangen werden kann und denkt dabei schmerzhaft daran, wie wenig sich letztlich trotzdem geändert hat, wenn man im Heute den Umgang gerade mit weiblichen Politikerinnen betrachtet. So ist die Frau der Stunde nicht nur ein unterhaltsames und informatives Buch, sondern zeigt auch die Notwendigkeit und Kraft weiblicher Solidarität eindringlich auf!