Starke Frauen, große Träume – und ein bisschen Zigarettenrauch

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fandsy Avatar

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Heike Specht nimmt uns in „Die Frau der Stunde“ mit auf eine spannende Reise in die späten 70er Jahre – mitten hinein in die Bonner Republik, als Politik noch verraucht war, Telefone noch Wählscheiben hatten und Frauen in der Politik eher die Ausnahme als die Regel waren.

Im Mittelpunkt steht Catharina Cornelius, eine ehrgeizige Politikerin, die plötzlich zur Außenministerin aufsteigt, nachdem ihr Chef über eine Affäre stolpert. Eigentlich soll sie nur seine Nachfolgerin auf Zeit sein – doch Catharina hat eigene Pläne. Sie ist klug, selbstbewusst und viel zu unabhängig, um sich von alten Männern in grauen Anzügen sagen zu lassen, was sie zu tun hat.

Was das Buch besonders macht, sind die vielen kleinen Details, mit denen Specht die 70er zum Leben erweckt: Da wird in Büros noch kräftig geraucht, in Kneipen Bier getrunken und unterwegs aus der Telefonzelle angerufen. Man spürt förmlich, wie anders (und doch so vertraut) diese Zeit war.

Neben Catharina spielen auch ihre beiden besten Freundinnen eine große Rolle: Suzanne, eine belgische Journalistin, die versucht, sich in der Männerwelt des Journalismus zu behaupten, und Azadeh, eine iranische Filmemacherin, die mitten in die Revolution in ihrer Heimat gerät. Durch sie bekommt die Geschichte zusätzliche Tiefe – und zeigt, dass es überall auf der Welt Frauen gab, die für Freiheit und Selbstbestimmung kämpften.

Heike Specht schreibt lebendig, klar und mit viel Gespür für Dialoge und Atmosphäre. Man merkt, dass sie genau weiß, wovon sie spricht – und dass sie ein echtes Gespür für Charaktere hat. Catharina ist keine Heldin ohne Makel, sondern eine Frau, die Fehler macht, zweifelt und trotzdem ihren Weg geht.

Einziger kleiner Minuspunkt: Das Ende kommt ziemlich offen daher. Einige Fragen bleiben unbeantwortet – man hat fast das Gefühl, als würde die Geschichte gerade erst richtig losgehen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht – schließlich hofft man so umso mehr auf eine Fortsetzung.

„Die Frau der Stunde“ ist ein kluges, spannendes und zugleich leicht zu lesendes Buch über Politik, Macht und Emanzipation. Wer Lust auf starke Frauen, ein bisschen Zeitgeschichte und jede Menge 70er-Jahre-Flair hat, wird hier auf jeden Fall fündig.