Zeitreise mit literarischen Schwächen
Zusammenfassung
Die Autorin Heike Specht ist Historikerin. Vorher hat sie bereits mehrere historische Sachbücher und Biographien veröffentlicht, dies ist ihr erster Roman.
Catharina Cornelius ist Abgeordnete der liberalen Partei Ende der Siebziger in der BRD. Als sie plötzlich Außenministerin wird, ändert sich ihr Leben auf einen Schlag und sie muss versuchen, sich im Beruf gegen die Widerstände der Männerbünde durchzusetzen und gleichzeitig auf der großen Bühne zu überzeugen. Noch dazu bemüht sie sich, ihr Privatleben, vor allem die Freundschaft zu ihren beiden Freundinnen Suzanne und Azadeh, so gut wie möglich zu erhalten, was sich an einigen Stellen mit ihrer Arbeit überschneidet.
Bewertung
Die Figuren fand ich zu Beginn sehr spannend, aber es gab zu wenig Entwicklung oder Tiefgang. So sind sie mir bis zum Schluss fremd geblieben. Dabei fand ich die Idee toll, die Geschichte aus der Perspektive verschiedener Frauen zu erzählen! Hier wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt.
Die Handlung ist grundsätzlich glaubwürdig, vor allem, was die Beschreibung des Zeitgeists betrifft. Der Autorin gelingt es, realistische Situationen zu kreieren, vor allem, was männliches Verhalten Frauen gegenüber betrifft: Wie Männer Frauenkörper bewerten, wie Frauen in der Politik häufig nur an Posten kommen, wenn der Karren tief im Dreck steckt, wie sie immer wieder intellektuell unterschätzt und gönnerhaft belehrt werden. Hier wirken einige Szenen geradezu schmerzhaft real, viele haben natürlich auch Anleihen in der Realität.
„‘Denkst du, ohne mich würdest du jetzt in diesem schönen Büro sitzen?‘ Er blickte sich in dem Raum um, der bis vor ein paar Tagen sein Reich gewesen war.“
Dennoch passiert mir allgemein zu wenig und es gibt nicht genug Spannung. Am Ende der Lektüre hatte ich das Gefühl, gerade eine sehr lange Exposition gelesen zu haben. Eigentlich hätte es jetzt richtig losgehen müssen, stattdessen ist das Buch zu Ende. Auch die Entwicklung bzw. Geschichte vieler Figuren reißt einfach ab.
Stilistisch gibt es einige Ausdrücke, die für mich ziemlich ausgelutscht klingen. Ab und an gibt es aber auch ganz tolle Formulierungen, gerade für die Beschreibung männlicher Figuren:
„Wäre Catharina eine andere Frau, wäre Theo der perfekte Partner. Er machte durchaus was her, war freundlich, loyal und ambitioniert. Aber Gleiches konnte man über einen Border Collie sagen.“
Den historischen Hintergrund empfinde ich als gut getroffen. Sowohl die Szenen in der BRD als auch die zur Situation im Iran finde ich glaubwürdig. Die vielen Zusatzinformationen oder kurzen historischen Rückblicke empfinde ich aber teils als zu viel und zu langatmig. An der Stelle kommt sicher die Historikerin durch, aber in einem Roman brauche ich das nicht. Wer will, kann ja jederzeit googlen. An manchen Stellen beschleicht mich das Gefühl, die Autorin will unbedingt noch ein weiteres typisches Konsumgut im Buch unterbringen, damit Leser*innen, die die Siebziger erlebt haben, noch tiefer eintauchen können.
Fazit
Trotz einiger guter Stellen konnte mich das Buch vor allem literarisch nicht ganz überzeugen. Wirklich schade, denn die Idee war extrem vielversprechend. Auf der anderen Seite bin ich durch die Lektüre aufmerksam geworden auf die Sachbücher und Biographien von Heike Specht, die mich sehr ansprechen. Diesen würde ich sehr gern eine Chance geben, da ich glaube, dass ihr das Genre als Historikerin vermutlich deutlich besser liegt und sie ihre Stärken dort besser ausspielen kann.
Empfehlung
Wer in den späten Siebzigern aufgewachsen ist oder schon erwachsen war und/oder ohne viel Vorwissen eine Zeitreise dorthin machen will, wer sich dazu auch für Feminismus und Politik aus der Zeit interessiert, der*die ist mit diesem Buch womöglich gut bedient. Über einige literarische Schwächen muss man dann allerdings hinwegsehen.
Die Autorin Heike Specht ist Historikerin. Vorher hat sie bereits mehrere historische Sachbücher und Biographien veröffentlicht, dies ist ihr erster Roman.
Catharina Cornelius ist Abgeordnete der liberalen Partei Ende der Siebziger in der BRD. Als sie plötzlich Außenministerin wird, ändert sich ihr Leben auf einen Schlag und sie muss versuchen, sich im Beruf gegen die Widerstände der Männerbünde durchzusetzen und gleichzeitig auf der großen Bühne zu überzeugen. Noch dazu bemüht sie sich, ihr Privatleben, vor allem die Freundschaft zu ihren beiden Freundinnen Suzanne und Azadeh, so gut wie möglich zu erhalten, was sich an einigen Stellen mit ihrer Arbeit überschneidet.
Bewertung
Die Figuren fand ich zu Beginn sehr spannend, aber es gab zu wenig Entwicklung oder Tiefgang. So sind sie mir bis zum Schluss fremd geblieben. Dabei fand ich die Idee toll, die Geschichte aus der Perspektive verschiedener Frauen zu erzählen! Hier wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt.
Die Handlung ist grundsätzlich glaubwürdig, vor allem, was die Beschreibung des Zeitgeists betrifft. Der Autorin gelingt es, realistische Situationen zu kreieren, vor allem, was männliches Verhalten Frauen gegenüber betrifft: Wie Männer Frauenkörper bewerten, wie Frauen in der Politik häufig nur an Posten kommen, wenn der Karren tief im Dreck steckt, wie sie immer wieder intellektuell unterschätzt und gönnerhaft belehrt werden. Hier wirken einige Szenen geradezu schmerzhaft real, viele haben natürlich auch Anleihen in der Realität.
„‘Denkst du, ohne mich würdest du jetzt in diesem schönen Büro sitzen?‘ Er blickte sich in dem Raum um, der bis vor ein paar Tagen sein Reich gewesen war.“
Dennoch passiert mir allgemein zu wenig und es gibt nicht genug Spannung. Am Ende der Lektüre hatte ich das Gefühl, gerade eine sehr lange Exposition gelesen zu haben. Eigentlich hätte es jetzt richtig losgehen müssen, stattdessen ist das Buch zu Ende. Auch die Entwicklung bzw. Geschichte vieler Figuren reißt einfach ab.
Stilistisch gibt es einige Ausdrücke, die für mich ziemlich ausgelutscht klingen. Ab und an gibt es aber auch ganz tolle Formulierungen, gerade für die Beschreibung männlicher Figuren:
„Wäre Catharina eine andere Frau, wäre Theo der perfekte Partner. Er machte durchaus was her, war freundlich, loyal und ambitioniert. Aber Gleiches konnte man über einen Border Collie sagen.“
Den historischen Hintergrund empfinde ich als gut getroffen. Sowohl die Szenen in der BRD als auch die zur Situation im Iran finde ich glaubwürdig. Die vielen Zusatzinformationen oder kurzen historischen Rückblicke empfinde ich aber teils als zu viel und zu langatmig. An der Stelle kommt sicher die Historikerin durch, aber in einem Roman brauche ich das nicht. Wer will, kann ja jederzeit googlen. An manchen Stellen beschleicht mich das Gefühl, die Autorin will unbedingt noch ein weiteres typisches Konsumgut im Buch unterbringen, damit Leser*innen, die die Siebziger erlebt haben, noch tiefer eintauchen können.
Fazit
Trotz einiger guter Stellen konnte mich das Buch vor allem literarisch nicht ganz überzeugen. Wirklich schade, denn die Idee war extrem vielversprechend. Auf der anderen Seite bin ich durch die Lektüre aufmerksam geworden auf die Sachbücher und Biographien von Heike Specht, die mich sehr ansprechen. Diesen würde ich sehr gern eine Chance geben, da ich glaube, dass ihr das Genre als Historikerin vermutlich deutlich besser liegt und sie ihre Stärken dort besser ausspielen kann.
Empfehlung
Wer in den späten Siebzigern aufgewachsen ist oder schon erwachsen war und/oder ohne viel Vorwissen eine Zeitreise dorthin machen will, wer sich dazu auch für Feminismus und Politik aus der Zeit interessiert, der*die ist mit diesem Buch womöglich gut bedient. Über einige literarische Schwächen muss man dann allerdings hinwegsehen.