Robbenfrau

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brianna Avatar

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Das Cover fängt ganz wunderbar die malerische Stimmung eines einsamen Fjordes mit schroffen Felsen und der kargen Landschaft ein. Das alleinstehende Haus im Vordergrund könnte das von Gro sein.

Der Einstieg ins Buch war eher beschwerlich.
Gro, früher führende Geologin auf Ölplattformen, lebt allein in einem Haus am Fjord, nachdem ihr geliebter Mann Nicklas ums Leben kam. In tiefer Trauer (und Depression) fällt ihr der Alltag im eisigen Winter sehr schwer. Ein kurzes Aufflackern von Freude gibt es, als sie sich um einen verletzten Finken kümmert, den sie Mats nennt. Doch auch er verläßt sie nach seiner Genesung. Die fragile Lebenslust und Hoffnung weichen erneut der bleiernd schweren Müdigkeit. Bis endlich der Frühling da ist.

Während des Kennenlernens von Gro, durchlebt man nicht nur ihre Erinnerungen, ihre Trauer, sondern auch ein ganzes Jahr auf den norwegischen Lofoten. Gemeinsam studieren wir Gesteine, lernen einiges über die heimische Tier-und Pflanzenwelt.
Gro beginnt, sich Vorräte für den Winter anzulegen, vor allem selbstgemacht: Lakritz aus frisch gezapftem Birkensaft, kandiertes und eingelegtes. Sie sammelt frische Kräuter im Frühjahr, fängt Fisch und hackt Holz für ihren Ofen. Sie lernt, Werkzeuge zu benutzen.
Darin fand ich mich wieder.
Ob Aurora-Lichter oder die Legende der Seehundfrau, die ihr Fell ablegen und als Mensch wandeln kann (Kópakonan), all' diese Beschreibungen haben mich tief berührt.

Nachdem sie dem Fischer Jens nach einer Havarie rettet, ist sie plötzlich nicht mehr "die komische Frau aus dem Fjord", sondern wird von seiner dankbaren Familie immer wieder freundlich eingeladen. Nach anfänglichem Zögern läßt sie diese neue Verbundenheit und Nähe (besonders zu Jens) zu.

Doch dann tauchen plötzlich ihr früherer Kollege Derek und sein Assistent Arne auf, denn in ihrer neuen Heimat soll es Öl geben. Wird sie ihr Haus, ihren Fjord, ihren Ort der Heilung verlieren?
Und wie kommt es dazu, daß Gro plötzlich als Mordverdächtige vernommen wird?

Der Schreibstil gefiel mir, wenn er auch am Anfang durch Gro's Trauer und ihr ständiges Weinen sehr schwer (für mich) ertragbar war.
Gro's wunderbare Heilung, ihre Annäherung an die Natur, ans Handwerk (das wir fast alle verlernt haben) und ihr langsames Vertrauen in die freundlichen Menschen, das alles mitzuerleben, hat mich sehr froh gemacht.

Noch größere Dankbarkeit und auch Rührung empfand ich, als die Autorin Anette Strohmeyer in ihrer Danksagung offen darlegt, daß sie selbst auch ihren Mann verlor und Gro's Heilung zum Teil ihrer eigenen entsprach.

Dieser Roman ist keine typische Liebesgeschichte, aber auch kein schwermütiger Roman nur über die Trauer.
Mich hat er sehr dankbar zurückgelassen.