Gutes Setting, schwache Protagonistin

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dieamara Avatar

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Das Buch spielt auf einer sehr abgeschiedenen kleinen Insel, die nur von einer kleinen verschworenen Gemeinde bewohnt, die aufgrund des rauen Klimas mehr schlecht als recht von Landwirtschaft und Tourismus leben kann. Trotzdem reagieren sie zunächst mit gemischten Gefühlen, als ein berühmter Autor sich ankündigt, um dort sein nächstes Buch zu verfassen. Alice, die Protagonistin, nimmt den attraktiven Autor bei sich auf und erhofft sich davon nicht nur für die Insel, sondern auch für ihr eigenes Leben neue Impulse. Sie wohnt nämlich in dem Haus ihrer verstorbenen Eltern, lies Elternschlafzimmer und die antiquierte Einrichtung bisher unberührt. Auch sonst lebt die 36 jährige ein eher eintöniges und frustriertes Leben.
Es verwundert deshalb natürlich nicht, dass sie sich sofort und nahezu dankbar in den Neuankömmling verliebt, ihn bekocht und für ihn die ungenutzten Zimmer komplett renoviert und zur Verfügung stellt. Außerdem merkt sie recht schnell, wie sie seine Aufmerksamkeit und sein Interesse auf sich lenken kann: Er hört zu gern Klatsch und düstere Geheimnisse aus der abgeschiedenen kleinen Gemeinde. Wer jetzt bereits ein ungutes Gefühl bei der Art der sich anbahnenden Beziehung hat, wird recht behalten...
Insgesamt handelt es sich hierbei um ein nettes herbstliches Buch über eine kleine wellengepeitschte Insel mit ihren Geschichten und Eigenarten. Der Schreibstil ist flüssig und sehr anschaulich, sodass sich recht schnell ein klares Bild von Shearwater Island und seiner Stimmung ergibt. Leider wird das Setting von einem absoluten Minuspunkt getrübt: Die Protagonistin. Ich konnte überhaupt nichts mit dieser offiziell erwachsenen, intelligenten und eigenständigen Frau anfangen. Es wird zwar immer wieder betont wie klug sie sei, doch davon war nicht viel zu spüren. Rückhaltlos lässt sie sich auf einen zwielichtigen Mann ein, obwohl ihr ihre Freunde und Nachbarn sehr offen davon abraten. Eine eigene kurze Recherche über diesen berühmten Autor hätte vieles verhindern können. Sie selbst stilisiert sich selbst vielmehr als Opfer ihrer schlimmen Kindheit und agiert eher passiv bis selbstzerstörerisch.

Ein schönes Setting, das durch die Protagonistin Alice leider nicht seine volle Entfaltung finden konnte. Dies ist eine Frauenfigur, mit der ich persönlich nicht viel anfangen kann. Wer einer verletzten und beziehungsgestörten Seele mehr Verständnis entgegenbringen kann als ich, mag hier ein paar nette bis spannende Lesestunden verbringen können.