Wenn das Leben andere Pläne hat

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elke seifried Avatar

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Weihnachten 1918, der Erste Weltkrieg ist gerade zu Ende, alle sehnen sich nach Frieden, aber die Novemberrevolution ist nicht nur in Berlin noch in vollem Gange. Das ist das Setting, in dem die Geschichte um die drei unterschiedlichen Frauen Fritzi, Vera und Hanna beginnt. Bei Vera quartiert sich der Matrose Benno in der leer stehenden Schneiderei der Familie ein. „Von einem Bürgerkrieg war nicht die Rede, als sie uns aus Kiel nach Berlin geholt haben.“. Er ist desertiert und braucht Unterschlupf, zudem gefällt ihm nicht nur Vera auf Anhieb recht gut, sondern auch die Werkstatt, genau das was er sucht für seinen Traum von der eigenen Autowerkstatt. Eben diesen Benno sucht Fritzi, die Müllerstochter aus einem Weiler bei Eckernförde, die sich heimlich nach Berlin aufgemacht hat. Mit der Unterstützung von Bennos Mutter ist sie zuversichtlich, dass sie den Kindsvater, der ihre gemeinsame Tochter Christel noch nicht einmal gesehen hat, für sich gewinnen kann. Sie träumt von einer Heirat, endlich kein Gerede mehr am Ort. Für ein solches könnte auch Hannas Neigung sorgen. Die junge Fronthilfsschwester hat sich im Dienst in Cora verliebt und nun plant sie mit dieser gemeinsam eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen, um so zusammenleben zu können.

Als Leser lernt man nach und nach die drei jungen Frauen kennen. Mit Vera wird man von Benno überrascht, nimmt ihn mit heim, gibt ihm Unterschlupf und verguckt sich sofort auch in ihn. Nicht so einfach, denn Benno ist bei den Matrosen desertiert und Veras Bruder hat sich, völlig verändert vom Krieg heimgekehrt, sofort dem Freikorps angeschlossen, um Jagd auf solche wie Benno zu machen. Benno muss vorerst fliehen. Was wird aus der Liebe, was aus dem Traum von der Autowerkstatt und was ist Benno überhaupt für ein Kerl? Da wird nicht mehr darüber verraten, nur vielleicht so viel, für Fritzi hat er nichts mehr übrig. „Wozu das Ganze, Fritzi? Es gibt einfach nichts mehr was uns verbindet!“. Auch bei Hanna läuft es alles andere als nach Plan. „Ein Leben mit Coralie war alles was sie wollte.“ Aber weder ihr Vater, der ihr keine Ausbildung erlauben, sondern sie vielmehr mit einem reichen Mann, der sie versorgen, eventuell sogar die konkursgefährdete Firma retten kann, verheiraten, will, noch Cora bieten die besten Voraussetzungen. Wird Cora ihren Bruder, der nach einem Giftgasangriff auf ihre Hilfe angewiesen ist, für die große Liebe im Stich lassen?

Der Sprachstil der Autorin liest sich flüssig und sie erzählt die Geschichte der Frauen jeweils abwechselnd aus den unterschiedlichen Perspektiven, was mir generell gut gefällt. So kann nie wirklich ausgeprägte Langeweile aufkommen. Ich habe mich recht gut unterhalten gefühlt, jedoch war ich nicht mit allem ganz so glücklich. Auch wenn sich die Autorin durchaus um der Zeit angemessene Begrifflichkeiten bemüht, hat es für mich nicht immer so perfekt gepasst. „im Schweinsgalopp“ über den Bahnhof rennen oder über faire Angebote, statt über gerechte, zu reden, verorte ich in einem anderen Setting und oder auch einer anderen Zeit, auch wenn bereits um 1800 erste Anglizismen für einige wenige zum Sprachgebrauch gehörten. Leider ist es ihr auch nicht gelungen mich emotional so richtig mitzunehmen. Vermutlich macht Liebe blind. Vera, der nicht unbekannt ist, dass einem Benno leicht die eine oder andere Lüge über die Lippen kommt, die ihm selbst sagt, dass er wohl eher an der Werkstatt als an ihr interessiert ist, konnte ich nicht immer ganz so gut verstehen. Was aber vielleicht auch daran liegen mag, dass Benno schon wegen Fritzi bei mir unten durch war. Warum die versucht, ihn mit einer finanziellen Unterstützung durch ihren Vater zu ködern, und es nicht zuerst einmal mit seinen Vaterpflichten versucht, war für mich auch völlig unverständlich. Außerdem kann ich nicht ganz so gut damit, wenn man Entscheidungen von anderen nicht akzeptieren will und weder Fritzi gelingt das bei seinem Nein zu einer gemeinsamen Zukunft noch einer Hanna bei Coras neue Plänen. Immer wieder gab es auch kleine Details, die mich grübeln ließen. Ein Benno desertiert, muss sich verstecken, die Straßenkämpfe machen das Leben angeblich noch immer sehr unsicher, aber er läuft dann weiter mit seinem verrissenen Matrosenkittel durch die Straßen? Veras Bruder richtet ein Freikorpslager in der Werkstatt ein, schießt Benno fast über den Haufen und dann ist geplanter Treffpunkt mit Vera vor der Haustüre? Das sind nur zwei Beispiele dafür. Der historische Kontext gibt die Rahmenbedingungen für die Handlung, die deutlich im Vordergrund steht. Das Leben der drei Frauen ist aber gut darin eingebettet.

Auch wenn für mich nicht alles ganz rund war, hatte ich mit den Frauen vom Alexanderplatz gute Unterhaltung und vier Sterne sind da für mich schon noch drin.